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Die Funkentelegraphie Marconis

(1897)

Adolf SlabyAdolf SlabyEntdeckungsfahrten in den elektrischen Ozean tbEntdeckungsfahrten in den elektrischen OzeanSo überschrieb Adolf Slaby das 5. Kapitel seines 1901 erschienenen Buches „Entdeckungsfahrten in den Elektrischen Ozean“. Hier beschreibt einer der späteren Gründungsväter der Firma Telefunken sehr anschaulich die Grundlagen der Funktechnik und den entscheidenden Beitrag Marconis. Die Schilderung gibt die persönlichen Erlebnisse während einer Englandreise wieder. Sehr genau werden auch die dann folgenden Versuche an der Heilandskirche zu Sacrow (Potsdam) erläutert. Text und Bilder entstammen der 4. Auflage des Werkes von 1911.

 

Der gesamte Beitrag umfasst 56 Buchseiten. Die sind für einen erklärten Liebhaber historischer Funktechnik gewiss ein Leckerbissen, für den eiligen Leser, der besonders an Marconis erfolgreichen Versuchen und Erkenntnissen interessiert ist, haben wir diese Passagen in blauer Farbe gekennzeichnet und den Leseumfang damit auf 9 Seiten reduziert.

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Bemerkenswert ist auch die Widmung Slabys und das Vorwort, das die erstaunliche Entstehungsgeschichte des Buches erwähnt.

slaby widmung tbWidmungslaby vorwort tbVorwort slaby inhalt tbInhaltsverzeichnis

 

 

5. Die Funkentelegraphie Marconis (1897)

SlabyAls der Breslauer Astronom Galle im Jahre 1846 den Planeten Neptun entdeckte, dessen Vorhandensein kurze Zeit zuvor Leverrier in Paris aus den Uranus-Störungen berechnet hatte, feierte man diese Tatsache als einen Sieg der Wissenschaft. Ähnliche nicht minder glänzende Erfolge hat die Lehre von der Elektrizität in den letzten 50 Jahren aufzuweisen.

Aus rein wissenschaftlichen Erwägungen leitete William Thomson die Gesetze ab, nach denen die Entladung einer Leydener Flasche, sowie überhaupt zweier mit Elektrizität geladener Körper vor sich geht. Bis dahin hatte man in solcher Entladung einen einfachen Übergang der Elektrizität von einem Körper zum anderen erblickt und die von einem knallenden, glänzenden Funken begleitete Erscheinung kaum für merkwürdiger gehalten als alle übrigen elektrischen Vorgänge. Von den damals üblichen Vorstellungen ausgehend, bewies nun Thomson durch Rechnung, daß unter gewissen Bedingungen diese Entladung eine schwingende sein muß, derart, daß dem ersten Übergang von Elektrizität zahllose andere folgen in wechselnder Richtung und mit abnehmender Stärke. Die ganze Erscheinung spielt sich mit einer so ungeheuren Geschwindigkeit ab, daß dem Auge das Hin- und Herwogen der elektrischen Kräfte verborgen bleibt, dieses vielmehr nur den Eindruck eines einzigen Funkens als Gesamtergebnis aufzunehmen vermag. Kurze Zeit darauf konnte Feddersen durch den berühmten Versuch mit rotierenden Spiegeln den bestimmten Nachweis liefern, daß die rechnerischen Folgerungen Thomson‘s der Wirklichkeit entsprachen.

Von nicht geringerer Bedeutung Wurden Betrachtungen, welche ein anderer Physiker, Maxwell, bald darauf anstellte. Zurückgehend auf die eigenartige Deutung der elektrischen und magnetischen Erscheinungen durch Faraday zeigte er, daß dieselbe bei mathematischer Entwicklung und Vertiefung zu einer überraschenden Erklärung des Wesens und der Ausbreitung elektrischer Erscheinungen führt. Er gelangte zu der Vorstellung, daß von einem elektrischen Funken Kräfte ausgehen, welche sich mit den Kennzeichen von Wellenbewegungen und mit der Geschwindigkeit des Lichts nach allen Richtungen in den Raum verbreiten. Als Träger der Wellenbewegung vermutete er denselben Stoff, den man bereits zur Erklärung der Fortpflanzung des Lichts herangezogen hatte, den Äther, und seine Lehre gipfelte in der Behauptung, daß das Licht selbst eine elektromagnetische Erscheinung sei, daß Licht und elektrische Strahlen dieselben Grundgesetze befolgen. Es ist bekannt, wie unser großer Landsmann Heinrich Hertz am Ende der 80er Jahre durch entscheidende Versuche die Richtigkeit dieser bis dahin nur rechnerisch begründeten Folgerungen nachwies.

Während William Thomson, jetzt Lord Kelvin, noch heut als gefeiertes Haupt der Gelehrtenwelt unter den Lebenden weilt und die erstaunliche Entwicklung der von ihm geweckten Keime vor sich sieht, hat dem Leben von Maxwell und Hertz das Schicksal ein leider allzufrühes Ziel gesetzt.

Es ist nicht Aufgabe dieses Vortrages, auf die rein wissenschaftliche Bedeutung dieser Tatsachen näher einzugehen, es ist vielmehr die erste technische Verwendung der neuen Erkenntnis, welche ich Ihnen teils durch Bericht, teils durch Versuch vorführen möchte.

Mit dem Eintreten der Technik in dieses für sie durchaus neue Gebiet wiederholt sich eine Erscheinung, die wir schon häufig beobachtet haben. Ohne die streng wissenschaftliche Grundlage wäre sie nicht im Stande gewesen, die wertvolle Nutzanwendung zu machen, die uns heute beschäftigen soll. Andererseits hat sie aber sofort mit ihren größeren Mitteln so durchaus neue Erscheinungen hervorgerufen, daß der Wissenschaft ein weites Arbeitsfeld sich öffnet. Ich habe als Techniker nicht die Absicht, eine vorzeitige Erklärung zu versuchen; desto mehr Werde ich aber bestrebt sein, die Erscheinungen selbst und die Mittel zur Hervorrufung derselben möglichst eingehend zu beschreiben.

Slaby Fig75Heinrich Hertz hat zuerst die Einrichtungen angegeben, mit denen man die von einer Funkenstrecke ausgehenden Strahlen elektrischer Kraft nachweisen kann. Er bediente sich dazu der sogenannten Resonatoren (Fig. 75). Das sind offene Drahtkreise, deren Enden mit kleinen polierten Messingkugeln versehen sind; durch eine isolierte Stellvorrichtung läßt sich der Luftraum zwischen den Kugeln auf geringe Bruchteile eines Millimeters genau einstellen. Bringt man nun einen solchen Resonator in den Weg der elektrischen Strahlen, so wird darin ein elektrisches Mitklingen geweckt, das sich durch Überspringen von Funken an der Unterbrechungsstelle kundgibt, in ähnlicher Art, wie etwa durch Schallwellen eine Stimmgabel zum Mittönen gebracht wird. Ich muß darauf verzichten, Ihnen den Versuch vorzuführen. Die Funken, welche man am elektrischen Mittöner erzielt, sind zu winzig, als daß sie von Allen gesehen werden könnten.

Ich Wähle ein stärkeres Mittel, um Sie von der Ausbreitung der elektrischen Kräfte durch den Raum zu überzeugen.

Die Natur, als Funkenerzeugerin, zeigt uns nur weit auseinanderliegende Grenzen. Von dem leisen Knistern, das Sie an kalten Wintertagen vernehmen, wenn Sie im geheizten Zimmer mit einem Gummikamm durch die Haare fahren, bis zu dem Zucken gewaltiger Blitze ist ein ungeheurer Sprung - und doch ist beides die gleiche Erscheinung, von beiden gehen die gleichen unsichtbaren Kräfte aus. Für unsere Zwecke bedienen wir uns einer künstlichen Funkenerzeugung, deren Stärke eine maßvolle Mitte halt zwischen den Äußerungen der Natur. Die Klemmen eines Induktionsapparates von der Ihnen wohlbekannten Bauart verbinden wir mit vollen Messingkugeln, die durch kräftige Ebonitplatten in geeignetem Abstand gehalten werden. Bei Ingangsetzung des Induktoriums erhalten wir eine ununterbrochene Folge von dicken weißglänzenden Funken, deren Ausstrahlungskraft wir vergrößern, wenn wir den Funkenraum mit Öl anfüllen. Bei dem vorliegenden Apparat (Fig. 76) geschieht dies mit Hülfe eines Zylinders aus Pergamentpapier, der die inneren Kugelhälften umspannt. Nach einem zuerst von Righi befolgten Verfahren verbinden wir ferner die Kugeln nicht direkt mit den Klemmen des Induktoriums, sondern laden sie vermittelst kleinerer Kugeln, die den äußeren Kugelhälften in passendem Abstand gegenübergestellt sind. Die Pergamenthülle verdeckt Ihnen den wirksamen Funken, doch hören Sie deutlich das eigentümliche Geräusch beim Durchbrechen des Öles. Wir wollen dieses Gerät einen Strahlapparat nennen, denn von ihm gehen die Strahlen elektrischer Kraft aus. Wir alle werden davon getroffen; wir merken es nur nicht, weil unserem Körper die Fähigkeit des Mittönens fehlt. Hätten wir metallische Glieder, so wäre das wohl anders.

Slaby Fig76 tbIch bediene mich nun eines einfachen Mittels, um die Ausbreitungsfähigkeit der elektrischen Kräfte wesentlich zu verstärken. Dies Mittel wird uns heut Abend noch häufig beschäftigen, es bildet das eigentlich Neue der vorzuführenden Versuche. Dünne Drähte sind es, einige Meter lang, die ich von den Speisekugeln des Strahlapparates, Pole wollen wir sie nennen, nach beiden Seiten isoliert ausspanne. Sie wirken wie das durchlöcherte Rohr eines Sprengwagens, aus ihnen spritzen gleichsam die Strahlen elektrischer Kraft nach allen Seiten senkrecht zum Draht, sie ziehen einen größeren Teil des Raumes in Mitleidenschaft.

Zum Nachweis der Ausbreitung der elektrischen Kräfte benutze ich eine Bogenlampe dort hinten im Saal; ich will sie von hier aus entzünden. Die Bogenlampe selbst ist ihrer regelnden Einrichtung entkleidet. Die gegenüberstehenden Kohlen sind mit den Polen einer Akkumulatorenbatterie verbunden; solange sie sich nicht berühren, ist der Stromkreis unterbrochen. Im vorliegenden Fall bilden sie einen Mittöner für die elektrischen Strahlen, sie werden zum Mitklingen oder richtiger zum Mitsprühen veranlaßt. Dadurch schließt sich die Brücke für den elektrischen Gleichstrom und die weißerglühenden Kohlenspitzen spenden ihr herrliches Licht. Um den Erfolg zu sichern, verbinde ich die beiden Kohlen mit ähnlichen dünnen Drähten, wie den Strahlapparat. Ich bilde gleichsam Fangarme für die elektrischen Strahlen, Saugerüssel oder Fühlhörner. Jetzt lasse ich den Strahlapparat spielen - Sie sehen die Lampe sofort in Tätigkeit treten.

Mit dem einfachen Mittel des Resonators hat Heinrich Hertz die Gesetze erforscht, welche die Ausbreitung elektrischer Kräfte befolgt. Der merkwürdigste seiner Versuche zeigt, daß die elektrischen Strahlen von einer Metallwand zurückgeworfen werden, ähnlich wie das Licht von einer spiegelnden Fläche. Es gelang ihm dadurch der Nachweis der Wellenart der Erscheinung.

Zur Erläuterung will ich ein Beispiel heranziehen, das mit der Elektrizität nichts zu tun hat, das aber eine Wellenbewegung sichtbar macht. Denken wir uns eine endlose dehnbare Schnur gradlinig ausgespannt und erteilen wir dem einen Ende etwa durch Schlag eine Erschütterung, so pflanzt sich dieselbe in Form einer Welle an der Schnur fort. Eine ähnliche Erscheinung beobachten wir, wenn eine ruhende Wasserfläche durch einen Steinwurf in Wallung gerät. In ringförmigen Wellen verbreitet sich die Bewegung nach allen Richtungen vom Ausgangspunkt der Störung. Die Beobachtung eines auf dem Wasser schwimmenden Korkes lehrt uns, daß die einzelnen Wasserteilchen selbst an der nach außen strebenden Bewegung nicht teilnehmen, sondern nur auf- und niedersteigen. Bald sind sie auf einem Wellenberg, bald in einem Wellental. Die gleiche Bezeichnung hat man hinübergenommen auf die Ausbreitung der Störungskraft in einem gradlinigen Mittel, wie beispielsweise unserer Schnur. Auch hier ist deutlich zu erkennen, daß die einzelnen Teile derselben sich nicht in der Richtung der fortschreitenden Welle bewegen, sondern senkrecht dazu nur auf- und nieder- steigen. Man bezeichnet solche Wellen darum als Querwellen im Gegensatz zu den Längswellen, wie sie z.B. bei dem Schall auftreten, der seine Wirkungen weiterpflanzt durch Verdichtungen und Verdünnungen des schalltragenden Mittels. Hierbei bewegen sich also die einzelnen Teile des Mittels etwa der Luft, in Richtung der fortschreitenden Wellenbewegung hin und her.

Durch überzeugende Versuche hat man bekanntlich nachgewiesen, daß das Licht durch Querschwingungen eines unbekannten Mittels, Äther genannt, sich weiterpflanzt. Den gleichen Nachweis hat Hertz für die elektrischen Kräfte erbracht, die von einer Funkenstrecke mit wechselnder Entladung ausgehen. Die Anordnung seines Versuches läßt sich mit wenigen Worten schildern.

Slaby Fig77 tbIch lenke Ihre Aufmerksamkeit auf die schwingende Schnur zurück. Wir haben sie bisher als außerordentlich lang vorausgesetzt und nun das Wandern der Welle vom Störungspunkte aus betrachtet. Am anderen Ende ist aber die Schnur, mag sie noch so lang sein, wiederum befestigt. Die dort ankommenden Wellen verschwinden nicht, sie wandern wieder zurück, sie werden zurückgeworfen. Jedes Schnurteilchen erhalt nun Bewegungen von beiden Wellenarten, von den hinlaufenden und den zurücklaufenden. Sind die Kräfte an einer Stelle gleichgerichtet, so verstärken sie die Bewegung, bei ungleicher Richtung vermindern sie dieselbe. Es treten Stellen auf, wo die Kräfte sich zu einem Höchstbetrag verstärken, dort muß das Schnurteilchen die größten Querschwingungen machen, an anderen wieder kommt die Querbewegung fast völlig zur Ruhe. Nach einiger Zeit bildet sich ein Zustand ans, den man als stehende Schwingung bezeichnet.

Wenn man geschickt ist, kann man dies mit einer am Ende befestigten Schnur, deren anderes Ende die Hand hält, zeigen. Ich verlasse mich lieber auf künstliche Hülfsmittel

An dieser senkrechten Latte ist ein Platindraht ausgespannt (Fig. 77), dessen oberes Ende festgeklemmt ist, während der untere Befestigungspunkt an der Zinke einer Stimmgabel sitzt, die durch elektrische Hülfsmittel erregt werden kann. Dabei wird das untere Ende des Drahtes in lebhafte Erschütterung versetzt, die sich nach oben fortpflanzt und am Befestigungspunkt zurückgeworfen wird. Es bilden sich stehende Wellen aus, die wir sichtbar machen können, indem wir einen starken elektrischen Strom durch den Draht senden. Die Ruhepunkte, Knotenpunkte genannt, werden sich bis zur Rotglut erhitzen, die stark bewegten Stellen dagegen, die Bäuche, werden durch die Luft gekühlt und bleiben dunkel. Zur besseren Beobachtung wollen wir den Saal verdunkeln. Sie werden jetzt deutlich 4 Knotenpunkte erkennen. Die bleibende Entfernung zwischen zwei aufeinanderfolgenden Knotenpunkten a b (Fig. 77) ist die halbe Länge der Welle, denn von a. bis c ist die hinlaufende Welle um ihre ganze aus Wellental und Wellenberg bestehende Länge vorgeschritten. Die Zeit, welche verstreicht, bis jedes Drahtteilchen einmal seine volle Querschwingung ausgeführt hat, nennt man die Schwingungszeit und die Anzahl der Schwingungen in einer Sekunde die Schwingungszahl.

Wir können diese Tatsachen an dem Apparat mit unseren Augen deutlich erkennen. Nehmen wir aber einmal an, wir wären blind und nur mit Gefühl begabt, so könnten wir uns dennoch von der Eigentümlichkeit der Erscheinung überzeugen. Wir brauchten nur den Finger in die Nähe des Drahtes zu halten. Die Bäuche würden wir deutlich fühlen durch Stöße, an den Knotenpunkten würden wir uns dagegen verbrennen. Indem wir nun diese Stellen durch das Gefühl aufsuchen, können wir nicht nur den Schluß ziehen, daß Wellenbewegungen eines uns unsichtbaren Mittels, Draht genannt, vorhanden sind, wir können sogar die Entfernung der Knotenpunkte und damit die Länge der Wellen ermitteln. Sogar die Feststellung der Schwingungszahl durch Abzählung der Stöße Wäre nicht undenkbar.

Genau das Entsprechende hat Hertz getan bei der Untersuchung elektrischer Wellen. Er richtete die von einer Funkenstrecke ausgehenden unsichtbaren Strahlen elektrischer Kraft gegen eine Metallwand. Dort wurden sie zurückgeworfen. Indem er nun seinen Resonator, gleichsam als einen tastenden Finger, an verschiedene Stellen des Strahlenweges brachte, konnte er Orte festlegen, wo er am lebhaftesten ansprach und solche, an denen er fast völlig versagte. Mein Kollege, Herr Professor Rubens, hat sogar durch feinere Meßmethoden die Größe des elektrischen Stoßes für jede Stelle ermittelt und gesetzmäßige Zu- und Abnahme gefunden. Damit ist aber die Wahrscheinlichkeit zur Gewißheit geworden, daß die Strahlen elektrischer Kraft das Merkmal einer Wellenerscheinung tragen ebenso wie die Strahlen des Lichts.

Doch noch mehr. Betrachten wir die Geschwindigkeit, mit der eine Wasserwelle vom Ausgang der Störung fortschreitet. Die Störung selbst hat sich um eine Wellenlänge fortgepflanzt, wenn ein Wasserteilchen einmal auf und nieder geschwankt ist. Beträgt die Anzahl dieser Schwingungen n pro Sekunde, und die Länge einer Welle l, so ist nl der Weg, um den die Störung in 1 Sekunde sich fortpflanzt, also die Wanderungsgeschwindigkeit der Welle.

Genau so liegen die Verhältnisse bei den elektrischen Wellen. Nun kann man nach den eingangs erwähnten Rechnungen Thomson‘s aus den Abmessungen des funkenerzeugenden Apparates die Anzahl der wechselnden Entladungen ermitteln welche in 1 Sekunde erfolgen, man kennt mithin die Anzahl der Stöße in 1 Sekunde, d.h. die Schwingungszahl. Stellt man ferner, wie Hertz es getan, die Wellenlänge durch Tastversuche mit dem Resonator fest, nachdem man die Wellen durch Zurückwerfen in stehende verwandelt, so sind alle Mittel gegeben zur Berechnung der Geschwindigkeit, mit welcher eine elektrische Störung, ein elektrischer Anstoß, sich durch den Raum nach allen Richtungen hin verbreitet. Hertz fand mit großer Annäherung die Lichtgeschwindigkeit 300000 km in 1 Sekunde.

Diese Geschwindigkeit ist eine so ungeheure, daß wir nicht daran denken können, die Wanderung der elektrischen Kraft unseren Augen wahrnehmbar zu machen. Professor Silvanııs Thompson in Londen zeigte mir in diesem Sommer ein reizendes Modell, in welchem er mit rein mechanischen Mitteln die Wanderung einer Ätherwelle veranschaulicht. Er hatte die Freundlichkeit, ein solches für mich anfertigen zu lassen. (Fig. 78.) Den Strahlapparat stellen zwei schwere Messingplatten dar, welche an Fäden hängen und eine bestimmte, verhältnismäßige große Schwingungszeit besitzen. Der „Resonator“ ist ein unterbrochener Messingkreis und hängt gleichfalls an Fäden. Beide können durch Kürzung oder Längung der Schnur so geregelt werden, daß sie gleiche Schwingungszeiten besitzen.

Slaby Fig78 tb

Zur Darstellung des wellentragenden Mittels, des Äthers, dienen kleine Bleikugeln, welche in gleicher Weise an V-förmigen Fäden hängen. Die aufeinanderfolgenden Fäden überkreuzen sich, so daß keine Kugel schwingen kann ohne etwas von ihrer Bewegung dem Nachbar mitzuteilen. Setzt man den Strahlapparat in Bewegung, so erteilt er den Kugeln Querschwingungen, die sich längs der Kugelreihe langsam fortpflanzen. Man kann sie deutlich mit dem Auge verfolgen und sieht, wie sie nach einiger Zeit zum Resonator gelangen und diesen zum Mitschwingen veranlassen. Ebenso stellt man sich heut die Fortpflanzung der elektrischen Kräfte durch den Äther vor.

Zum Schlusse dieser physikalischen Einleitung noch eine kurze Bemerkung. Aus optischen Untersuchungen weiß man, daß die einfarbigen Strahlen, in welche das weiße Licht durch Brechung sich zerlegt, verschiedene Wellenlängen besitzen. Die größte Wellenlänge besitzt das rote Licht mit 0,8 Mikron (1 Mikron ist der tausendste Teil eines Millimeters); sie verringert sich nach dem violetten Teil des Spektrums, dort beträgt die Wellenlänge nur etwa 0,4 Mikron. Umgekehrt verhalten sich die Schwingungszahlen, beim roten Licht erfolgen 400 Billionen Schwingungen in 1 Sekunde, beim violetten Licht dagegen 800 Billionen. Die bis jetzt bekannten Wellenlängen elektrischer Strahlen schwanken in der Größenordnung zwischen Zentimetern und Kilometern, ihre Schwingungszahlen betragen nur wenige Millionen in der Sekunde. Sie ordnen sich also in den ultraroten Teil des Spektrums ein. In dem äußersten ultravioletten Teil des Spektrums vermutet man bekanntlich die Röntgenstrahlen. Die letzten Jahre der physikalischen Forschung bedeuten also einen kühnen Vorstoß in die Grenzgebiete der Natur. Wer will sagen, ob und wo wir das Ende erreichen Beide Untersuchungsergebnisse der reinen Forschung haben sofort wichtige Anwendungen gefunden zum Nutzen der Menschheit.

Es wurde mich von dem eigentlichen Gegenstande meines Vortrages zu weit entfernen, wollte ich der schönen Versuche gedenken, durch welche Hertz und .seine Nachfolger bewiesen haben, daß die elektrischen Strahlen ebenso wie die Lichtstrahlen die Gesetze der Brechung, der Interferenz und der Polarisation befolgen. Soweit dies überhaupt möglich ist, haben sie uns die Gewißheit verschafft, daß Licht und elektrische Strahlen Erscheinungen gleicher Art sind, die sich nur durch Größenverhältnisse von einander unterscheiden.

Die Netzhaut des Auges ist das empfindliche Instrument, welches uns die Wahrnehmung der Lichtstrahlen ermöglicht; in entsprechender Weise dürfen wir nunmehr die Apparate, welche die Wirkungen der elektrischen Strahlen zeigen, elektrische Aug en nennen. Der Hertz‘sche Resonator ist ein recht unvollkommenes Auge, es ist schwach und kurzsichtig, nur die blendendsten Wirkungen der elektrischen Strahlen können wir damit erkennen und den Helligkeitsgrad derselben, wenn ich mich so ausdrücken darf, nur annähernd schätzen. Heut verfügen wir über eine stattliche Zahl hochempfindlicher elektrischer Augen, mit denen die Stärke der Wirkung genau gemessen werden kann.

Slaby Fig79 tbDas allerempfindlichste derselben stellt sich dar als eine sinnreiche Verbesserung des Hertz‘schen Resonators. Das Kennzeichen des letzteren War die Unterbrechung einer metallischen Leitung durch eine Luftstrecke von außerordentlich geringer Größe. Die Wirkung einer elektrischen Bestrahlung äußerte sich in dem Auftreten sichtbarer Funken. Wir mußten also unser menschliches Auge zu Hilfe nehmen oder mit anderen Worten, wir bewirkten eine Umsetzung der von der Funkenstrecke ausgehenden elektrischen Strahlung in Lichtstrahlung. Wir können aber auch andere Hilfsmittel heranziehen, um die unendlich kleinen Funken zu erkennen, wenn das Auge versagt. Die empfindlichsten Mittel sind immer die elektrischen; wir wählen einen elektrischen Gleichstrom, dessen geringste Spuren durch Galvanometer nicht bloß erkannt, sondern auch gemessen werden können.

Denken Sie sich die metallischen Knöpfe eines Hertzschen Resonators soweit genähert, daß der verbleibende Luftzwischenraum selbst mit den feinsten optischen Mitteln nicht mehr erkennbar ist, dennoch braucht eine völlige metallische Berührung noch nicht zu bestehen. Schalten wir nun in den Drahtkreis des Resonators (Fig. 79) eine kleine galvanische Batterie, etwa ein Trockenelement von geringer elektromotorischer Kraft und ein hochempfindliches Galvanometer, so wird, so lange der Stromkreis an den Kugeln unterbrochen ist, die Nadel des Galvanometers in Ruhe verharren. Wirkt aber eine elektrische Strahlung auf den Kreis, so durchzittern denselben in elektrischer Resonanz die elektrischen Wellen, für Welche der Luftzwischenraum keine Sperrung bildet, gleichsam wie eine Wasserwelle in Milliarden von Stäubchen über ein Hindernis spritzt. So spritzen sie hier in der Form von feinen Fünkchen hinüber und wenn auch den schärfsten optischen Hülfsmitteln verborgen, sind sie dennoch für einen Augenblick vorhanden und füllen, wie jeder Funke, den Luftraum mit Metalldampfen an. Diese leiten den Gleichstrom und schließen den Kreis; die Folge ist ein deutlicher Ausschlag der Galvanometernadel. Entweder schwingt nun die Nadel nach beendigter Strahlung zurück, dann hat sich der isolierende Luftzwischenraum von selbst wieder-hergestellt, und das elektrische Auge ist bereit, auf eine neue Strahlung anzusprechen, oder -- und das ist der gewöhnliche Fall -- geringe Stäubchen des nach der Verdampfung wieder verdichteten Metalles füllen den Luftraum und bilden eine metallische Brücke; dann ist der Ausschlag des Galvanometers ein bleibender. Doch die geringste Erschütterung bringt diese lose Brücke zum Einsturz und unterbricht die metallische Berührung.

Diese zwanglose Erklärung eines verschärften elektrischen Auges aus den Eigenschaften des Hertz‘schen Resonators trifft auch auf dasjenige Auge zu, welches Marconi benutzt, um mit Hilfe elektrischer Strahlen auf weite Entfernungen zu telegraphieren. Es ist indessen üblich, den Entwicklungsgang auf eine andere Ausgangsquelle zurückzuführen.

Slaby Fig80 tbIm Jahre 1890 entdeckte Branly eine eigentümliche Eigenschaft loser in einer Glasröhre übereinander geschichteter Metallkörner, wie Eisen-, Kupfer- oder Messingfeile. Eine solche Röhre bietet dem Durchgang eines elektrischen Stromes einen unüberwindlichen Widerstand, so daß man dieselbe mit metallischen Anschlußplatten oder darin gebetteten gut-leitenden Kugeln an die Pole einer galvanischen Batterie anschließen kann, ohne einen Strom zu erhalten. Zum Nachweis dieser Wirkung schaltete Branly ein empfindliches Galvanometer in denselben Stromkreis. Sobald aber diese Röhre von elektrischen Strahlen getroffen wird, leitet sie den Gleichstrom und das Galvanometer erfahrt einen Ausschlag. Eine leise Erschütterung der Röhre nach erfolgter Bestrahlung stellt den unendlichen Widerstand wieder her. Fig. 80 zeigt eine solche Einrichtung, bei der die Metallfeile durch lose übereinander geschichtete eiserne Nägel ersetzt sind.

Wir können auch hier die Erklärung auf den Hertz’schen Resonator zurückführen. An die einzelne Unterbrechungsstelle treten die zahllosen Be rührungsstellen des Metallfeilicht mit unreiner isolierender Oberfläche. Die-Bestrahlung ruft in dem Stromkreis eine elektrische Erzitterung hervor und zahllose unsichtbare Fünkchen an den Unterbrechungsstellen bewirken die metallische Berührung.

Für diese einfache Erklärung' spricht auch der Umstand, daß mit Metallen, deren Oberfläche leichter und dauernder metallisch bleibt, wie Platin, Gold und Silber, die Wirkung nicht so gut zu erzielen ist. Vorzüglich eignen sich dagegen Metalle wie Kupfer, Messing, Aluminium, Eisen und Nickel, deren Oberflächen bekanntlich nur auf kurze Zeit metallisch rein zu halten sind. Mit Kohlenkörnern oder Kohlenpulver ist die Wirkung unsicher, was dagegen spricht, die Erscheinung als eine rein mikrophonische zu erklären.

Lodge scheint zuerst solche Röhren als elektrische Augen zum Studium Hertz‘scher Strahlen benutzt zu haben. In seinem fesselnden Buche „The Work of Hertz and some of his successors“ beschreibt er verschiedene Einrichtungen dieser und ähnlicher Art, welche er schon 1889 benutzt hat. Von ihm stammt auch der Name „coherer“, den er von cohere, Kohäriren, abgeleitet hat, weil durch elektrische Bestrahlung eine innigere Verbindung des Metallfeilicht, gleichsam eine Kohäsion bewirkt wird. Man hat für deutschen Gebrauch das häßliche Wort „Kohärer“ (richtiger wäre Kohärirer) gebildet, das man wohl gerne wieder verschwinden sähe. Ich habe Herrn Geh.-Rat Reuleaux ersucht, seine so oft schon bewährte Kunst, treffende deutsche Bezeichnungen zu bilden, auch im vorliegenden Falle zu üben. ,Er hat für Kohäriren das Wort, „Fritten“ vorgeschlagen. Man bezeichnet damit in der Technik einen Vorgang, bei dem lose pulverförmige Massen durch oberflächliche Schmelzung zum Zusammenhängen gebracht werden. Das trifft hier vollkommen zu und man würde den „coherer“ zweckmäßig als „Fritter“ oder „Frittröhre“ verdeutschen können. Lodge ist wohl auch als Vater des Gedankens zu bezeichnen, mit elektrischen Strahlen und solchen Röhren zu telegraphieren; er bezeichnet aber als äußerste erreichbare Entfernung eine halbe englische Meile (800 m), ohne dies indeß praktisch erprobt zu haben.*)

*) Im Electrician (1. Okt. 1897) ist auch auf eine Äußerung von Sir William Crookes hingewiesen worden. Dieselbe findet sich in einem Aufsatz „Some Possibilities of Electricity“ in Fortniglıtly Review, Februar 1892, und ist sehr interessant, Weshalb ich sie hier mitteile.

„Ob längere Ätherwellen, welche das Auge nicht mehr wahrnimmt, ununterbrochen um uns her in Tätigkeit sind, haben wir bis vor Kurzem niemals ernstlich erforscht. Aber die Untersuchungen von Lodge in England und Hertz in Deutschland offenbaren uns eine fast unbegrenzte Fülle von Äthererscheinungen oder elektrischen Strahlen, deren Wellenlängen tausende von Meilen bis zu wenigen Fußen betragen. Hier öffnet sich uns eine neue, staunenerregende Welt, von der wir schwerlich annehmen können, daß sie nicht auch die Möglichkeit der Übertragbarkeit von Gedanken enthalten sollte. Lichtstrahlen dringen nicht durch eine Mauer, auch nicht durch einen Londoner Nebel, wie wir Alle nur zu gut wissen. Aber elektrische Wellen von 1 m Länge oder mehr werden solche Stoffe leicht durchsetzen, dieselben werden für sie durchsichtig sein. Es ergibt sich hier die fesselnde Möglichkeit einer Telegraphie ohne Drähte, ohne Pfähle, ohne Kabel, ohne das ganze kostspielige Beiwerk. Setzen wir die Erfüllbarkeit weniger vernünftiger Forderungen voraus, so rückt die Frage durchaus in den Bereich der Möglichkeit. Wir können heut Wellen von jeder gewünschten Länge erzeugen, von wenigen Fußen an aufwärts, und eine Aufeinanderfolge von solchen nach allen Richtungen des Raumes ausstrahlenden Wellen erhalten. Es ist auch, wenn nicht bei allen, so doch bei einigen dieser Strahlen möglich, sie durch geeignet geformte als-Linsen wirkende Körper zu brechen und so ein Bündel von Strahlen nach., irgend einer gegebenen Richtung zu werfen; große linsenförmige Massen aus Pech und ähnlichen Stoffen hat man für diesen Zweck benutzt. Auch könnte man in der Ferne einige, wenn nicht alle dieser Strahlen mit besonders eingerichteten Apparaten auffangen und durch verabredete Zeichen in Morseschrift einem Andern übermitteln . . . Zwei- Freunde, die innerhalb der Übertragungsgrenze ihrer Empfänger leben, könnten ihre Apparate auf spezielle Wellenlängen abstimmen und, so oft es ihnen gefällt, durch lange und kurze Strahlung in den Zeichen der Morseschrift mit einander verkehren. Auf den ersten Blick würde man gegen diesen Plan den Einwand erheben, daß die Mitteilungen nicht geheim zu halten seien. Nehmen wir an, die Beteiligten wären eine Meile entfernt von einander, so würden die Strahlen, welche der Sender nach allen Richtungen ausschickt, eine Kugel mit dem Halbmesser von einer Meile erfüllen und jedermann, der innerhalb dieser Entfernung vom Sender sich befände, könnte die Mitteilung auffangen. Dies würde auf zwei Arten vermieden werden können. Wären die Lagen des Senders und des Empfängers genau bestimmt, so könnte man die Strahlen mit größerer oder geringerer Sicherheit auf den Empfänger vereinigen. Wären indes Sender und Empfänger beweglich, so daß eine Linsenanordnung sich verbietet, so müßten die Beteiligten ihre Apparate auf eine und dieselbe Wellenlänge, sagen wir etwa 50 m, abstimmen. Ich nehme dabei an, daß man Apparate erfinden würde, welche durch Drehung einer Schraube oder durch Änderung der Länge eines Drahtes so geregelt werden können, daß sie zur Aufnahme von Wellen verabredeter Länge geeignet würden. Wären sie etwa auf 50 m eingestellt, so würde der Empfänger nur Wellen von vielleicht 45 bis 55 m aufnehmen und für alle übrigen unempfindlich sein. Bedenkt man, daß eine große Zahl von Wellenlängen zur Verfügung steht, von einigen Fußen bis zu tausenden von Meilen, so erscheint die Geheimhaltung ausführbar; wäre ein Neugieriger noch so unermüdlich, er würde doch sicherlich vor der Aufgabe zurückschrecken, all die Millionen von möglichen Wellenlängen zu versuchen, um endlich durch Zufall auf diejenigen zu stoßen, welche die zu Belauschenden benutzen. Durch Geheimzeichen könnte man selbst diese Möglichkeit ausschließen. Das sind nicht bloße Träumereien. Alle Erfordernisse, den Plan zu verwirklichen, liegen in dem Bereich der Möglichkeit und zwar. genau auf dem Wege, den die Forschung in allen Hauptstädten Europas bereits eingeschlagen hat, so daß wir täglich erwarten können zu hören, die Aufgabe sei praktisch gelöst. Schon heut ist eine Telegraphie ohne Drähte bereits möglich auf die beschränkte Entfernung von einigen hundert Metern, und vor einigen Jahren habe ich selbst Versuchen beigewohnt, bei denen Telegramme von einem Teil eines Hauses zu einem andern ohne verbindenden Draht fast genau durch die beschriebenen Mittel gesandt wurden.“

 

Die Nachricht, daß Marconi diese Telegraphie auf meilenweite Entfernung praktisch durchgeführt habe, gelangte am Anfang dieses Jahres zu uns. Wer den Thatsachen, zu welchen das Studium der Hertz'schen Strahlen führte, aufmerksam gefolgt war, der wußte, daß den Zeitungsberichten ein gut Stück Wahrheit zugrunde lag.

Wie viele andere hatte auch ich mich mit der Aufgabe beschäftigt, war indes nicht weiter gekommen, als von einem zum andern Ende der langen Gänge unserer Hochschule. Selbst die Zuhilfenahme von parabolischen Spiegeln und großen Kapazitäten brachte uns über diese Grenze nicht hinaus. Marconi mußte, das wurde mir klar, noch etwas Anderes, Neues zu dem Bekannten hinzugefügt haben, Wodurch die kilometerlangen Entfernungen erreicht wurden. Kurz entschlossen reiste ich nach England, wo die Telegraphenverwaltung größere Versuche anstellte. Durch meinen Freund Gisbert Kapp bei Mr. Preece, dem Chefingenieur der englischen Telegraphenbehörde, vortrefflich eingeführt, wurde mir in liebenswürdigster Weise die Teilnahme daran gestattet. Ich will nun gleich vorwegnehmen: Was ich sah, war tatsächlich etwas Neues, Marconi hatte eine Entdeckung gemacht; er arbeitete mit Mitteln, deren volle Bedeutung vor ihm noch niemand erkannt hatte. Nur dadurch erklärt sich sein Erfolg.

Ich möchte dies gleich am Anfang meiner Mitteilungen hervorheben, weil in letzter Zeit, besonders in der englischen Fachpresse, der Versuch gemacht werden ist, dem Verfahren Marconis die Neuheit abzusprechen. Die Erzeugung der Hertz‘schen Wellen, ihre Ausbreitung durch den Raum, die Empfindlichkeit des elektrischen Auges ~ das Alles sei bekannt gewesen. Sehr richtig, aber mit diesen bekannten Mitteln kam man eben auf 50 Meter und nicht weiter.

Marconi hat zunächst für das Verfahren eine geistvolle Einrichtung ersonnen, die mit den einfachsten Hilfsmitteln eine sichere technische Wirkung erreicht. Sodann hat er gezeigt, wie durch Erdverbindung der Apparate einerseits, sowie durch Benutzung lang ausgestreckter senkrechter Drähte andererseits eine Telegraphie erst möglich wird. Diese Drähte bilden das Wesentliche seiner Erfindung, die Bezeichnung „Telegraphie ohne Draht“, ist darum eigentlich falsch, richtiger nennt man sie wohl „Funkentelegraphie“ im Gegensatz zu der bisherigen „Stromtelegraphie“.

Slaby Fig81 tb

Ich will zunächst die bauliche Einrichtung erörtern. Der Hauptteil des Apparates ist das elektrische Auge, das Fig. 81 in halber natürlicher Größe zeigt. Nach vielen Versuchen hat Marconi ein Metallpulver, oder richtiger eine Mischung von Metallpulvern als beste erkannt, welche zu 96 pCt. aus Hartnickel, zu 4 pCt. aus Silber besteht. Es wird durch Raspeln mit reinen und trockenen Feilen erzeugt. Diese Mischung wird in eine Glasröhre eingeschlossen zwischen zwei Kolben aus Silber, deren begrenzende Oberflächen durch eine Spur Quecksilber amalgamiert sind. Je dünner man die Pulverschicht macht, desto empfindlicher wird das Auge, d.h. bei desto geringerer Strahlungsenergie spricht es an. Die Schicht hat nur etwa 1/2 mm Dicke, man bringt darin kaum mehr als 20-25 Metallkörner unter. Der angegebene genaue Prozentsatz des Silbers wird dadurch gegenstandslos; man kann nur sagen, daß ein größerer Reichtum an Silberkörnern die Röhre empfindlicher macht, man tauscht dafür aber einen Nachteil ein: je mehr Silber, desto schlechter wird die Auslösungsfähigkeit, d. i. die Unterbrechung durch Erschütterung nach erfolgter Zeichengebung. Für die sichere Wirkung ist das aber die Hauptsache, ich lasse darum das Silber ganz fort und nehme nur reine Nickelfeile. Marconi empfiehlt ferner, die Röhre nach erfolgter Füllung auszupumpen und dann erst zuzuschmelzen. Das erste ist nach meinen Beobachtungen minder wichtig, das Zuschmelzen dagegen empfehlenswerth, weil es die richtige Lage der begrenzenden Silberkolben sichert. Die Zuleitung bewirken Platindrähte die mit den Silberkolben verlötet werden. Von allergrößter Wichtigkeit ist es aber, daß man die Metallkörner mit der Lupe von möglichst gleicher Größe aussucht, die scharfkantigen, zackigen und spitzigen bevorzugt, die rundlichen tunlichst  vermeidet. Vor der Füllung' muß man sie sorgfältig reinigen und trocknen. Trotz alledem ist man vom Zufall abhängig; von einer ganzen Reihe, die in gleicher Weise hergestellt sind, hat man immer einige auszumerzen, teils wegen zu geringer oder zu großer Empfindlichkeit, teils wegen mangelnder Auslösungsfähigkeit.

Slaby Fig82 tbDie Anordnung von Marconi‘s Empfänger will ich zunächst übersichtlich erläutern. Der stark ausgezogene Stromkreis (Fig. 82), welchen ich als Hauptkreis bezeichnen will enthält in Hintereinanderschaltung ein kleines Trockenelement A von 1,5 bis 1,2 Volt elektromotorischer Kraft, ein empfindliches Relais B und die Frittröhre C. Relais nennt man bekanntlich einen in der Telegraphie viel benutzten Übertrager, der auf sehr geringe Ströme anspricht und dabei eine Zunge bewegt, die einen zweiten Stromkreis mit stärkerer Batterie, die sogenannte Ortsbatterie schließt. Ist der Fritter ausgelöst, so ist der Stromkreis unterbrochen; die Zunge des stromlosen Relais lehnt gegen den Ruhestift. Nach erfolgter Bestrahlung gestattete die Frittung in C die Ausbildung eines Stromes, welcher die Relaiszunge auf den Arbeitsstift legt. Dadurch schließt sich der Nebenkreis der Ortsbatterie a und der darin eingeschaltete Morseschreiber b sowie der Klopfer c werden betätigt. Bei dem ersten Schlage des Klopfers gegen den Fritter muß dieser sich auslösen, dadurch wird der Hauptkreis stromlos, die Relaiszunge legt sich wieder auf den Ruhestift und schaltet die Ortsbatterie aus. Bei erneuter Bestrahlung wiederholt sich der Vorgang. Es ist klar, daß man durch unterbrochene Bestrahlung des Fritters die Zeichen des Morse-Alphabets erzeugen kann.

Mit dieser einfachen Anordnung können wir im Zimmer oder von einem ins andere telegraphieren. In die Hauptwickelung des Induktoriums schaltet man einen gewöhnlichen Morsetaster, mit dem man für kürzere oder längere Zeit den Strom schließt. Ich will die Handhabung an den beiden Apparaten erläutern, die hier zu beiden Seiten des Saales etwa 20 m von einander entfernt aufgestellt sind. Die Frittröhre ist mit Marineleim an einen längeren Glasstab gekittet, der zur wagerechten Befestigung an zwei senkrechten Metallständern dient. Unmittelbar vor dem mit Nickelfeile gefüllten Spalt befindet sich der Klopfer, ein kleiner Hornklöppel an einem Anker, der von dem dahinter liegenden Elektromagnet in ähnlicher Weise bewegt wird, wie der Klöppel einer elektrischen Klingel. Der Elektromagnet des Klopfers ist hier parallel zu dem Morseschreiber bezw. zu einem elektrischen Läutewerke geschaltet und nicht, wie die Zeichnung der Übersichtlichkeit wegen angibt, in Hintereinanderschaltung. Ich verbinde nunmehr ein Trockenelement mit dem Hauptstromkreis und schalte das Läutewerk parallel zum Klopfer in den Nebenkreis. Wie Sie bemerken, bleibt alles in Ruhe, da der Hauptkreis in dem Fritter völlig unterbrochen ist, die Zunge des Relais legt sich gegen den Ruhestift. Sobald ich nun aber eine elektrische Strahlung erzeuge, welche die Frittröhre trifft, ändert sich das Bild. Die Nickelfeile bildet elektrischen Schluß, das Trockenelement sendet einen Strom durch das Relais und dieses schließt den Nebenkreis.

Sie hören das Klingelzeichen und den Schlag des Klopfers gegen die Röhre, wodurch der Stromkreis wieder unterbrochen wird. Lasse ich andauernd schwingende Entladungen am Strahlapparat übergehen, so folgt auf jede Unterbrechung eine erneute Bestrahlung, der Vorgang wiederholt sich, so lange ich will, die Klingel und der Klopfer arbeiten weiter. Das Rufzeichen ist gegeben, wir schalten das Läutewerk aus, den Morseschreiber ein, das Telegraphieren kann beginnen.

(Es folgt die Sendung und Aufnahme eines Telegramms.)

Soweit ist alles einfach und leicht zu verstehen. Marconi, ein noch jugendlicher Italiener, im Anfang der Zwanziger, begann seine Versuche auf dem Landgute seines Vaters bei Bologna, angeregt durch die Vorlesungen Righis an der Universität zu Bologna. Dort machte er auch die schöne und folgenreiche Entdeckung, von der ich schon gesprochen habe. Er fand, daß die Entfernung, welche er mit den geschilderten Einrichtungen erreichen konnte, mehr als verhundertfacht wurde, wenn er den einen Pol seines Strahlapparates mit einem senkrechten Draht, den anderen Pol mit der Erde verband und die gleiche Einrichtung an der Frittröhre des Empfängers traf. Noch bis zur Mitte dieses Sommers glaubte er, daß zur Erreichung guten Erfolges Kapazitäten erforderlich seien, welche er in Form von Zinkplatten oder Zinkzylindern an den obersten Enden der Luftdrähte anbrachte. In seiner vor mehr als Jahresfrist verfaßten und vor einigen Monaten veröffentlichten englischen Patentschrift legte er auf diese Kapazitäten besonderen Wert. Die Versuche, welche er im Frühjahr in England und im Sommer in Spezia anstellte, scheinen ihn nach einer brieflichen Mitteilung nunmehr auch zu der Überzeugung gebracht zu haben, daß die umständlichen Kapazitäten nicht so wichtig seien, wie er anfangs annahm: es ist hauptsächlich die Länge des Luftdrahtes, wodurch die Überschreitung großer Entfernungen bedingt wird.

Die Erforschung der Funkentelegraphie ist in den begrenzten Räumen eines Laboratoriums schwer möglich. Man braucht dazu kilometerlange Entfernungen in freier Luft, nicht unterbrochen durch Wälder, Berge oder Häuser, Das senkrechte Ausspannen langer gut isolierter Drähte ist keine einfache Sache, noch dazu, wenn, wie bei den ersten Versuchen Marconi‘s, die oberen Enden mit großen Kapazitäten .versehen werden sollen.

Marconi kam ein überaus glücklicher Umstand zu Hilfe. Der Chefingenieur der englischen Telegraphenbehörde, Mr. Preece, hatte sich seit Jahren bemüht, die Leuchtschiffe an der englischen Küste und kleine in der Nähe der-selben liegende Inseln telegraphisch mit dem Festlande zu verbinden ohne Benutzung von Kabeln. Er spannte parallele Drähte aus, deren Enden in das Wasser geführt wurden; jeder derselben stellte somit einen geschlossenen Kreis dar. Wurden nun durch den einen kräftige, absetzende, elektrische Ströme oder Wechselströme, gesandt, so riefen sie durch Induktion in dem parallel gestellten Draht elektrische Stromstöße hervor, die durch einen eingeschalteten Fernsprecher hörbar gemacht werden konnten. Schon im Jahre 1892 hatte er auf diese Weise zwischen Penarth und Flatholm im Bristolkanal eine telegraphische Verbindung hergestellt. Auch hier bei uns auf dem Wannsee haben die Herren Rathenau und Rubens ähnliche erfolgreiche Versuche ausgeführt. Man scheint indes über beschränkte Entfernungen nicht hinausgekommen zu sein, zudem bereitet der Anruf nicht unerhebliche Schwierigkeiten.

An Mr. Preece wandte sich Marconi; er fand sofort Verständnis und tatkräftige Unterstützung. Auf dem alten Versuchsfelde zwischen Penarth und Flatholm im Bristolkanal wurden zwei Standorte eingerichtet und am 10. Mai begannen die denkwürdigen Versuche, die von Mr. Preece persönlich und seinen Ingenieuren Mr. Gavey und Mr. Cooper geleitet wurden.

Auf der etwa 20 m hohen Klippe von Lavernock Point, 1 Stunde von dem freundlichen Badeort Penarth entfernt, war ein 30 m hoher Mast errichtet, durch Drahtseile gehalten, über dessen Spitze ein zylindrischen Zinkhut von 2 m Höhe und 1 m Durchmesser gestülpt war. Von dem Zinkzylinder führte ein isolierter Kupferdraht bis zum Fuße des Mastes an den einen Pol des Empfängers. Der andere Pol war durch ein langes Drahtseil, die Klippe hinunter, mit dem Meere verbunden. Mitten im Kanal, 5 km entfernt von Lavernock Point, liegt das kleine Eiland Flatholm, auf seinen hohen Klippen mit Kanonen gespickt, zugleich der Standort eines Leuchtturmes. Dort war der Sendeort. In einem Bretterhäuschen stand der Strahlapparat mit einem verhältnismäßig kleinen lnduktorium (25 cm Sohlagweite) von einem 8zelligen Akkumulator gespeist. Die vollen Messingkugeln von 10 cm Durchmesser waren bis auf 2 mm genähert und durch eine Schicht Vaselinöl getrennt. Die äußeren Kugeln, gleichfalls voll, von etwa 4 cm Durchmesser, in einem Abstand von 10 mm von den inneren Kugeln, waren einerseits mit einer Kapazität auf einem Mast von genau gleichen Abmessungen wie in Lavernock Point, andererseits mit dem Meere verbunden.

Am ersten Versuchstage wurden zwei kilometerlange Drähte auf beiden Seiten über die Klippen gelegt. um nach dem älteren Verfahren von Mr. Preece eine Verbindung mit Fernsprechern herzustellen, was auch nach kurzer Zeit gelang. Am zweiten Tage sollte nach dem Marconi‘schen Verfahren telegraphiert werden. Zunächst gelang es nicht, Zeichen überhaupt zu erhalten. Man schrieb die Schuld den eisernen Drahtseilen zu, welche den Mast hielten und den Empfangsdraht wie einen Käfig umgaben. Als man am anderen Tage diesen um etwa 20 m verlängerte, um den Empfänger seitlich vom Mast entfernt aufzustellen, kamen die ersten aber noch undeutlichen Zeichen. Der volle Erfolg war erst am nächsten Tage vorhanden, nachdem man mit dem Empfangsapparat hinunter an den Strand gezogen war und damit die wirksame Länge des Drahtes fast verdoppelt hatte. Es wird mir eine unvergeßliche Erinnerung bleiben, wie wir, des starken Windes wegen in einer großen Holzkiste zu Fünfen übereinander gekauert, Augen und Ohren mit gespanntester Aufmerksamkeit auf den Empfangsapparat gerichtet, plötzlich nach Aufhissung des verabredeten Flaggenzeichens, das erste Ticken, die ersten deutlichen Morsezeichen vernahmen, lautlos und unsichtbar herübergetragen von jener felsigen, nur in undeutlichen Umrissen wahrnehmbaren Küste, herübergetragen durch jenes unbekannte, geheimnisvolle Mittel, den Äther, der die einzige Brücke bildet zu den Planeten des Weltalls. Es waren die Morsezeichen des v, welche der Verabredung gemäß herüberkamen und der Liebenswürdigkeit meiner Gastfreunde verdanke ich den Besitz dieser ersten Zeichen, welche in Fig. 83 durch Autotypie wiedergegeben sind.

Slaby Fig83 tb

Nach meiner Abreise wurden die Versuche fortgesetzt, und es gelang, wie mir Mr. Preece mitteilte, zwischen Lavernock Point und Brean Down, quer über die ganze Breite des Kanals (14,5 km) telegraphische Verständigung zu erzielen. Bei diesem Versuch wurden auf beiden Standorten Drachen benutzt, um die senkrechten Drähte zu halten. Wie lang dieselben waren, ist mir nicht bekannt geworden.

Zurückgekehrt, ging ich sofort daran, meine eigenen Versuche wieder aufzunehmen, unter Verwendung Marconischer Luftdrähte.

Der erste Versuch, Ende Juni, bestand in der telegraphischen Verbindung dieses Hörsaales mit der chemischen Fabrik von A. Beringer, am Salzufer gelegen. Es stand dort ein Wasserturm zur Verfügung, um den Sendedraht zu befestigen. Der Versuch glückte sofort, doch zog ich es vor, denselben schleunigst abzubrechen, da eine Anfrage des Fernsprechamts einlief, ob am Salzufer örtliche Gewitter aufträten, die sämtlichen Linien dorthin seien gestört. Wir lagen also dort mit unserem Strahlapparat den Fernsprechdrahten zu nahe.

Die nächste Verbindung erfolgte mit dem Wohnhause eines meiner Assistenten an der Ecke der Berliner- und Sophienstraße. In einem Kellerraum des einstöckigen Hauses wurde der Strahlapparat aufgestellt. Die Entfernung in der Luftlinie beträgt etwa ¼ km, doch liegen zahlreiche hohe Bäume dazwischen, welche die Strahlung durchdringen muß. Wir wollen heut Abend den Versuch wiederholen.

Hier im Saal steht der Empfänger mit dem Morseschreiber. Der eine Pol des Fritters ist mit der Wasserleitung verbunden, also an Erde gelegt; an dem anderen Pol ist ein isolierter Kupferdraht befestigt, der im Nebenzimmer zum Fenster hinausführt und mittels eines Porzellanisolators an der Dachkante des Hauses aufgehängt ist. Drüben am Sendeort ist ein gleicher Draht gut isoliert an der Spitze der Fahnenstange befestigt, die zugleich den Blitzableiter des Hauses bildet. Er führt frei durch die Luft bis in die Nähe des Erdbodens und von hier mittels isolierender Stützen in den Raum, wo der Strahlapparat steht, von gleichen Abmessungen wie der hier auf dem Tische befindliche.

(Es erfolgt die Aufnahme eines Telegramms.)

Zur wissenschaftlichen Erforschung der merkwürdigen Erscheinung genügen aber so geringe Entfernungen nicht. Ich war so glücklich, die Allerhöchste Erlaubnis zu erhalten, auf den Gewässern der Havel bei Potsdam und in den umliegenden Königlichen Gärten Versuche anstellen zu dürfen. Fast 2 Monate konnte ich auf diese Forschungen verwenden, unterstützt von den Mannschaften der Königlichen Matrosenstation.

Es waren die unterhaltendsten, angenehmsten Studien, die ich je betrieben, in dem herrlichen Laboratorium der Natur unter einem fast immer lachenden Himmel in paradiesischer Umgebung. Die planmäßig angestellten Versuche brachten uns, wenn auch keine Erklärung der Erscheinungen. so doch eine Fülle von Anregungen und wichtige Anhaltspunkte für die weitere erfolgreiche Ausdehnung der Funkentelegraphie.

Slaby Fig84 tb

Unser Hauptquartier war auf der Matrosenstation an der Glienicker Brücke. (Fig. 84.) Dort standen die Empfangsapparate. Der vorhandene Flaggenmast wurde wesentlich erhöht, so daß die oberste Spitze des blanken Empfängerdrahtes 26 m über dem Erdboden lag. Unser erster Sendeort war die Pfaueninsel, 3 km entfernt. Die Apparate, Batterien, Induktorien und Strahlapparate wurden in einem Zimmer des dortigen Schlosses aufgestellt. An der wohlbekannten eisernen Brücke, welche die beiden Türme des Schlosses verbindet (Fig. 85), wurde ein Mast befestigt zur Aufnahme eines senkrecht am Schloß heruntergeführten 26 m langen Drahtes, de ran Isolatoren hängend durch das Fenster bis ins Zimmer geführt wurde. An beiden Orten war gute Erdverbindung durch einen Draht hergestellt, der bis zur Havel ging und dort an einer großen im Wasser liegenden Zinkplatte verlötet wurde.

Slaby Fig85 tb

Die ersten Versuche, welche angestellt wurden, brachten kein befriedigendes Ergebnis. Wohl kamen Zeichen an, sie waren aber zerrissen und unleserlich. Dazu traten Störungen ganz unvorhergesehener Art, unregelmäßige Zeichen, die nicht gesandt waren. Besonders viel zu schaffen machten uns die letzteren. Da der Empfänger sie nur anzeigte, wenn sein Pol mit dem Luftdraht verbunden war, so mußte in diesem die Störungsquelle vermutet werden. An luftelektrische Ursachen dachte ich zunächst, noch nicht, War doch die Luft klar und rein und ohne jede Gewitterschwüle. Bei den englischen Versuchen hatte ich allerdings die Wirkungen der Luftelektrizität kennen gelernt, aber sie waren sehr gering gewesen. Sobald man den Draht vom Empfänger gelöst und einige Zeit isoliert in der Hand gehalten hatte, sprach die Frittröhre an, wenn man den Kupferdraht wieder an den Pol legte, und zwar konnte man den Versuch drei bis vier Mal hinter einander wiederholen mit immer schwacher werdender Wirkung, bis diese ganz ausblieb. Dann mußte man einige Zeit warten, ehe man die Erscheinung wiederholen konnte. Wir hatten es offenbar mit elektrischen Ladungen aus der Luft in Folge der großen Kapazität an der Spitze des Drahtes zu tun. Die Wirkungen waren indeß so gering, daß sie das Telegraphieren nicht störten. Hier in Potsdam waren die Erscheinungen viel stärker, obwohl die große Kapazität an den Enden der Drähte fehlte. Ich hatte sie fortgelassen, weil ich an ihre Wirkung von Anfang an nicht glaubte- Zudem hatte mir Kapitän Jackson von der englischen Marine erzählt, daß er zwischen zwei Schiffen auf 2 km Entfernung mit einfachen Drähten, die ohne Kapazität am Mast hochgebracht waren, telegraphieren konnte. Ich will Sie mit den vielen erfolglosen Versuchen, die vorgenommen Wurden, den Übeltäter zu entdecken, nicht ermüden. Es wurde endlich außer Zweifel gestellt, daß wir es tatsachlich mit Luftelektrizität zu tun hatten, die sich aber nur deshalb so störend bemerkbar machte, 'weil unser elektrisches Auge allzu empfindlich war. Es enthielt zu feines und ungleichmäßiges Pulver und zuviel Silber. Dies führte zu einer völligen Umgestaltung unserer Frittröhren, wir machen sie seitdem mit gröberen sorgfältig ausgesuchten Körnern und ohne Silber. lm Laboratorium hatten unsere Fritter vorher vortrefflich gearbeitet, wir freuten uns über ihre große Empfindlichkeit, im Freien versagten sie. Die Natur zwang uns, ihre eigene, unerwünschte Telegraphiertätigkeit durch Anwendung gröberer Mittel außer Dienst zu stellen.

Der andere Übelstand, das Zerreißen unserer Zeichen, konnte nicht so schnell beseitigt werden. Da die Pfaueninsel von der Matrosenstation aus nicht gesehen werden kann, war eine Verständigung durch Flaggenzeichen nicht möglich, der Verkehr durch Boten zu zeitraubend und mühevoll. Ich nahm deshalb zunächst die Studien mit einem günstiger gelegenen Sendeort auf, mit der Sacrower Heilandskirche, welche 1,6 km in der Luftlinie von der Matrosenstation entfernt und sichtbar ist, so daß eine Verständigung durch Flaggenzeichen möglich war. Durch die Güte des Kommandeurs der Luftschifferabteilung, Herrn Majors Nieber, kam ich später in den Besitz eines Fernsprechkabels, welches durch die Havel gelegt wurde, so daß die Versuche nunmehr schneller aufeinander folgen konnten.

Slaby Fig86 tb

Die Lage der Sacrower Kirche ist Ihnen bekannt (Fig. 86). Seitlich von der Basilika steht der Glockenturm, der unmittelbar unter seinem Dach eine Plattform trägt. Dort wurde ein Mast befestigt und an seiner äußersten Spitze, 23 m über dem Erdboden, mit Hülfe eines Porzellanisolators der isolierte Kupferdraht aufgehängt. Zur Aufstellung des-Strahlapparates wählten wir den Säulengang der Kirche, um bei Regenwetter geschützt zu sein. Das war unser Glück, eine andere Anordnung, die später gewählt wurde, hätte uns nicht sofort zum Ziele geführt.

Die in Sacrow aufgegebenen Telegramme kamen auf der Matrosenstation mit tadelloser Klarheit und Bestimmtheit an. Die atmosphärischen Störungen waren durch die unempfindlicheren Frittröhren endgültig beseitigt; das Zerreißen der Morsestriche hatte aufgehört. Nur manchmal, wenn Spreekähne mit ihren großen aufgespannten Segeln in unmittelbarer Nähe der Kirche vorüberfuhren, gab es einige zerrissene Morsestriche, die aber immerhin noch zu lesen waren. Einmal allerdings wurden wir durch Undeutlichkeit der Zeichen in lebhafte Bestürzung versetzt. Es war gerade an dem Tage, an welchem S. M. der Kaiser die Einrichtungen besichtigen wollte. Kurz vor Toresschluß gelang es uns erst, die Ursache der Störungen zu beseitigen. Wir hatten, um gegen etwaigen Regen besser geschützt zu sein, den Strahlapparat tiefer in den Eingang der Kirche gerückt, dabei war der Sendedraht, welcher stark durchhing, auf etwa 2 m Länge, dem Fliesenboden der Kirche auf etwa 30 cm nahe gekommen. Spätere Versuche haben uns deutlich gezeigt, daß jede parallele Lage eines Teiles des Drahtes in der Nähe des Erdbodens verhängnisvoll ist. Es gibt eine gewisse Mindestentfernung, bei der die elektrischen Strahlen nicht mehr in den Raum, sondern direkt zur Erde übergehen. Nachdem wir den Draht verkürzt und straffer angezogen hatten, war die Störung beseitigt. Das Telegraphieren gelang vorzüglich, S. M. der Kaiser gab selber ein Telegramm. auf und konnte sich bei der Rückkehr nach der Matrosenstation von der sicheren Ankunft desselben überzeugen.

Heilandskirche Sacrowi 1928 tbWeitere Versuche an der Sacrower Kirche ergaben ein wichtiges Resultat. Als ich den Sendedraht senkrecht am Glockenturm herunterführte zu dem am Eingang des Turmes aufgestellten Strahlapparat, blieben die Zeichen vollkommen aus. Nach längeren Versuchen erst wurde die Hinderungsursache erkannt und damit zugleich eine Erklärung des anfänglichen Mißerfolges mit der Pfaueninsel gewonnen. In unmittelbarer Nähe des Glockenturmes befanden sich hohe Baumgruppen, welche den vertikalen Draht fast völlig verdeckten, so daß man von der Matrosenstation mit einem Fernrohr nur das oberste Stück des Drahtes erkennen konnte. Die von dem Draht ausgehenden Strahlen Wurden ebenso wie die Lichtstrahlen von der Baumgruppe verschluckt bezw. Zur Erde abgeleitet. Die Hauptbedingung für das Gelingen der Funkentelegraphie ist, daß alle' Hindernisse, welche sich in der Nähe vor dem Sendedraht befinden, beseitigt werden, die beiden Drähte, am Sender und Empfänger müssen sich gleichsam sehen können. Wie lagen die Verhältnisse nun bei der Pfaueninsel? In ein Meßtischblatt der Generalstabsaufnahme wurde die Verbindungslinie der Apparate eingetragen. Dieselbe schnitt nicht nur eine bewaldete als Landzunge vorspringende Anhöhe, sondern eine ganze Gebäudegruppe, den Jägerhof im Park von Glienicke. Durch diesen mußten die Strahlen hindurch und es erklärt sich dadurch ihre auffallende Schwächung.

Zuerst hatte ich den Blitzableiter auf dem Schloß der Pfaueninsel als Störenfried im Verdacht gehabt. Ich ließ seine Erdverbindung herausnehmen - ohne Erfolg. Sodann zog ich mit meinem Empfänger weiter nach Westen, in die Nähe der Marmorbank im Neuen Garten. An einem hohen Baume hatten die flinken Matrosen bald einen Mast befestigt, dessen Spitze 23 m über der Erde war. Nun lag zwischen den beiden Drähten die bewaldete und bebaute Landzunge nicht mehr im Wege. Das Ergebnis war besser, aber noch nicht zufriedenstellend. Auf der Pfaueninsel Waren noch Baumgruppen vor dem Draht, welche ihn verdeckten. Ich ließ den Draht von dem Mast am Schloß mit einer geringen Neigung zunächst an einen Flaggenmast führen, unmittelbar an dem erhöhten Ufer der Pfaueninsel, von dort herunter zum Ufer an den Strahlapparat. Jetzt lag der Draht ganz frei, er war sichtbar, aber seine Länge war angewachsen auf 65 m, während die Länge des Empfängerdrahtes nur 'etwa 26 m betrug. Die Zeichen wurden wiederum deutlicher, aber noch nicht völlig bestimmt. Wenn zahlreiche hohe Segel, oder noch schlimmer, wenn Dampfer mit stark. Aufsteigendem Qualm dazwischenkamen, so zerrissen wieder die Morsezeichen. Nun schritt ich zur letzten Veränderung. Ich machte den Empfängerdraht von gleicher Länge, 65 m. Dazu mußte ich auf die Havel hinaus; auf einem Prahm, durch. ein Zelt geschützt, wurde der Apparat aufgestellt. Sofort kamen die Zeichen tadellos. nicht mehr zerrissen durch Segel oder Rauch.

Verlängerung, Sichtbarmachung der Drähte und Abstimmung auf gleiche Länge hatten den Erfolg bewirkt. Ungeändert war dagegen die Höhe der Aufhängepunkte geblieben. Was war nun das Wesentliche? Um dies zu entscheiden, zog ich wieder zur Matrosenstation zurück und arbeitete auch dort mit einer Drahtlänge von 65 m auf einem Prahm. Mit einem Mal war Alles in schönster Ordnung, die Zeichen von der Pfaueninsel kamen so sicher und genau, wie in den Räumen des Laboratoriums.

Deutlich haben die Versuche gezeigt, daß den ausschlaggebenden Einfluß Länge und Gleichheit der Drähte besitzen. Dazwischenliegende Hindernisse stören zwar, lassen sich aber überwinden, wenn man die Drähte nur genügend lang machen kann.

Besondere Versuche wurden angestellt, um zu sehen, ob senkrecht ausgespannte Drähte vor dem Empfängerdraht die Aufnahme stören. Der Flaggenmast auf der Matrosenstation wird durch eine ganze Reihe von eisernen Drahtseilen gehalten. Ich stellte den Empfänger, der bis dahin immer seitlich von dem Flaggenmast angebracht War, Weil ich den Einfluß der Drahtseile fürchtete, dicht an den Mast, so daß die Drahtseile den Apparat wie ein eiserner Käfig umgaben: Die sichere Zeichengebung von der Sacrower Kirche wurde dadurch nicht gestört. Ich muß bemerken, daß alle Drahtseile mit Ausnahme eines einzigen Erdschluß hatten, wie durch Messung festgestellt wurde. Nur ein einziges und zwar das vorderste, welches dicht am Ufer befestigt war, hatte ich durch ein eingeschaltetes kurzes Hanfseilstück von der Erde isoliert; ein zweites unmittelbar dahinter liegendes, im Abstand von wenigen Zentimetern zum ersteren fast parallellaufendes, hatte gute Erdverbindung. Ich hatte das vordere Drahtseil isolieren lassen, um dasselbe geeignetenfalls als Empfängerdraht benutzen zu können. Dies glückte auch, aber die Wirkungen waren auffallend schwächer und die Zeichen nicht immer ganz vollständig. Ich lernte hier zuerst die mangelhafte Wirkung des Eisens als Material für den Empfängerdraht sowie die Schädlichkeit des Dralls kennen, wovon weiter unten noch die Rede sein wird.

Ein geringer Drall hat keinen nachteiligen Einfluß. Dies zeigte ein Versuch mit blankem Kupferdraht, den ich in einigen Windungen um den hölzernen Flaggenmast herumführte, ehe ich sein Ende mit dem Apparat verband. Ich erhielt keine Schwächung der Zeichen, auch dann nicht, als ich ein Stück des Drahtes zu einer Spule aufwickelte mit 40 Windungen.

Ein in den Empfängerdraht eingeschalteter Widerstand von100 Ohm ließ gleichfalls keine Schwächung der Zeichen erkennen. Eine Erhöhung dieses Widerstandes auf 1000 Ohm schwächte dieselben dagegen erheblich und machte sie fast unleserlich.

Schließlich möchte ich hier noch eine Tatsache erwähnen, die uns mehrfach entgegentrat, aber nicht völlig aufgeklärt werden konnte. Bei den Versuchen, sowohl mit Sacrow als mit der Pfaueninsel, bei denen abgerissene Zeichen überhaupt auftraten, konnten wir eine Zunahme der Störungen bemerken, sobald das Wetter windig wurde. Ich vermute, daß die Bewegung der Blätter an den Bäumen, welche die Strahlen auf ihrem Wege zu durchdringen hatten, einen größeren und wechselnden Widerstand herbeiführte. Es wäre auch möglich, daß bewegte Luft die Ladung des Drahtes beschleunigt. Ein Einfluß der Luftfeuchtigkeit konnte niemals beobachtet werden, Nebel oder Regenwetter störten die Zeichengebung nicht.

Bei den Versuchen in Potsdam verfolgte ich lediglich den Zweck, mich zunächst mit den Erscheinungen der Funkentelegraphie näher vertraut zu machen, wichtige Grundbedingungen für das Gelingen kennen zu lernen, die Apparate zweckentsprechender auszubilden und mich in der Handhabung derselben zu üben. Die Grenzen der Verwendbarkeit festzustellen, weite Entfernungen zu überwinden, das war nicht die Aufgabe, die ich in Potsdam zu lösen gedachte. Dafür waren von vornherein andere, günstigere Örtlichkeiten und Mittel ins Auge gefaßt. Es wurde darum auch die Frage zunächst außer Acht gelassen, wie etwa die Funkengebung am Strahlapparat wirkungsvoller zu gestalten wäre. Ich arbeitete in Potsdam immer mit denselben bescheidenen Mitteln: mit einem Funken-Induktor von Siemens & Halske für 25 cm Schlagweite, einer Akkumulatorenbatterie von 8 Zellen und dem hier stehenden Strahlapparat, dessen Abmessungen aus Fig. 76 hervorgehen. Der Abstand der großen Kugeln betrug beständig 2 mm in Öl, die kleineren äußeren Kugeln waren in wechselnder Entfernung von 3 bis 15 mm. Einen Einfluß der Länge der äußeren Funken konnte ich bei der geringen Entfernung nicht mit Sicherheit erkennen. Die Einstellung erfolgte immer so, daß die Funken im Öl möglichst gleichmäßig und mit weißlichem Lichte auftraten.

Ehe ich nun zu den größeren Entfernungen übergehe, will ich kurz über »einige Versuche berichten, Welche Marconi im Juli dieses Jahres in Spezia mit Unterstützung der italienischen Marine angestellt hat, und über welche im Septemberheft der Rivista marittima ausführliche Mitteilungen erfolgt sind.

Die Versuche erstreckten sich über den Zeitraum vom 10. bis 18. Juli. An den ersten 3 Tagen wurden Versuche am Lande ausgeführt, eine telegraphische Verbindung auf 3,6 km gelang vortrefflich.

Am 14. Juli telegraphierte man von dem Arsenal S. Bartolomeo nach einem in Fahrt befindlichen Schleppdampfer. Der Strahlapparat stand in S. Bartolomeo mit einem Luftdraht. (Kupferkabel von 10 qmm Querschnitt) von 26 m Länge, an einem Mast befestigt. Funkeninduktor von 25 cm Schlagweite, erregt durch einen 4 zelligen Akkumulator. Die inneren Kugeln des Strahlapparates hatten einen Durchmesser von 10 cm, die äußeren von 5 cm.

Der Empfängerdraht am Mast des Schleppdampfers von 16 m Länge und 10 qmm Querschnitt. Sende- und Empfängerdraht beide mit Kapazitäten an der Spitze in Form von Zinktafeln 0,4 x 0,4 m. Erdverbindung an beiden Orten durch Platten im Meer. Die telegraphische Verständigung wurde ermöglicht bis auf eine Entfernung von 4 km. Bei der Weiterfahrt des Dampfers versagte sie. Man schrieb den Mißerfolg einer mangelhaften Bedienung des Tasters am Strahlapparat sowie luftelektrischen Einflüssen zu.

Am 15. Juli wurde der Versuch in gleicher Weise wiederholt, nachdem man den Mast in S. Bartolomeo auf 30 m erhöht hatte. Bei der Abfahrt des Dampfers gab der Empfänger fortgesetzt Zeichen, obwohl der Sender noch nicht in Betrieb gesetzt war. Man schrieb dies Gewitterwolken zu, welche in der Ferne auftauchten. Die Versuche Wurden erst wieder aufgenommen, nachdem das Wetter sich geklärt. Es wurden lesbare Depeschen gesandt bis auf eine Entfernung von 5,5 km. Die Fahrt des Dampfers wurde darauf so gerichtet, daß eine Landzunge (Castagna) sich zwischen Sender und Empfänger legte. Die Zeichen wurden sofort unklar und unleserlich.

Am 16. Juli versuchte man unter den gleichen Bedingungen wie am 15. Es war klares Wetter. Die Zeichen blieben gut bis auf 7,48 km, bis 9 km konnten noch einige entziffert werden.

Am 17. und 18. Juli trat an die Stelle des Schleppdampfers das Panzerschiff S. Martino. Der Luftdraht in S. Bartomoleo wurde auf 31 m erhöht, die Stromquelle des Induktors durch einen 5 zelligen Akkumulator gebildet. Der Empfängerdraht an Bord am Mast befestigt 17 m hoch, 22 m über Meer.

Am 17. Juli wurde das Panzerschiff 3,2 km von S. Bartolomeo verankert. Der Empfänger wurde an den verschiedensten Stellen des Schiffes aufgestellt; auch im Innern des Schiffes, in der Nähe der Maschine. Die telegraphische Verständigung war durchweg eine gute, auch als der Apparat in die untersten Räume des Schiffes gebracht wurde, war sie noch vorhanden, wenn auch weniger gut.

Die interessantesten Versuche fanden am 18. Juli statt. Das Panzerschiff in Fahrt, alle übrigen Bedingungen dieselben wie am Tage vorher. Bei der Ausfahrt glückte die telegraphische Verständigung bis auf 12,5 km, dann wurde sie mangelhaft. Das Schiff wendete, doch bei 10 km konnten erst wieder leidliche Zeichen (buoni se non ottimi ancora) erhalten werden.

Nach einer Pause fuhr das Panzerschiff 6 km von S. Bartolomeo wieder nach außen. Die telegraphische Verständigung war vollkommen bis auf 16,3 km. Von da ab kamen Unterbrechungen und Störungen, doch glückte es, einige Wörter noch bei 18 km zu entziffern. Der Empfänger stand hierbei am hinteren Ende des Schiffes. Als man wendete, kamen die eisernen Masten und Türme des Schiffes zwischen Empfänger und Sender. Hierin vermutete man die Ursache, daß erst bei 12 km wieder die ersten unbestimmten Zeichen erhalten werden konnten. Die Fahrt des Schiffes wurde nun so gesteuert, daß Inseln (Tino und Palmaria) sich dazwischen legten, die Verständigung hörte auf, obwohl die Entfernung zwischen Sender und Empfänger nur 7 -8 km betrug. Erst als die Luftlinie frei war, kamen bei 6,5 km wieder gute Zeichen.

Diese Versuche bestätigen vollkommen die Erfahrungen, die ich auf der Pfaueninsel gemacht habe. Auch dort schwächte die zwischenliegende Landzunge des Jägerhofs die Wirkung. der Strahlen, erst die durch Verlängerung des Drahtes verstärkte Wirkung gestattete die Überwindung des Hindernisses. Lehrreich ist ferner die Zunahme der Übertragungsweite mit der Verlängerung (hier ausschließlich Erhöhung) der Drähte.

Nach den in Potsdam gesammelten Erfahrungen hielt ich die Anwendbarkeit der Funkentelegraphie auch auf größere Entfernungen für vollkommen sicher, falls es gelang, möglichst hohe und lange Sende- und Empfängerdrähte zu benutzen.

Es ist auf die eigenste Anregung Sr. Majestät des Kaisers zurückzuführen, daß sich die Luftschifferabteilung zur Verfügung stellte.

Ein Vorversuch auf dem Tempelhoferfelde hatte den Zweck, die leitenden Offiziere mit Art und Ausführung der Versuche bekannt zu machen. Zugleich sollte festgestellt werden, ob wir kräftige, Funkenentladungen in das Fesselseil ohne Gefahr für das Luftschiff hinaufschicken durften; denn es bot sich als einfachstes Mittel die Benutzung dieser Stahlseile als Sende- und Empfängerdrähte dar. Zudem Ende wurden zwei mit Leuchtgas gefüllten Luftschiffe an Seilen befestigt, deren oberste Teile in der Länge von 20 m aus Hanf bestanden, um das Überspringen von Funken auf das Luftschiff mit Sicherheit zu verhüten. Der mittlere Teil der Fesselseile bestand aus 100 m Drahtseil, wie es für gewöhnlich benutzt wird, der unterste Teil bis zur Winde wieder aus 20 m Hanfseil, um das Drahtseil tunlichst von der Erde zu isolieren. Von dem unteren Ende des Drahtseiles führte blanker Kupferdraht zu einem Pol der Apparate, die auf freiem Felde aufgestellt waren und deren anderer Pol mit Hülfe eines in den Boden gesteckten Säbels an Erde gelegt wurde. Der Sender befand sich in der Nähe von Rixdorf, der Empfänger 3 km davon entfernt in der Nähe. des Übungsplatzes der Luftschifferabteilung in Schöneberg. Die Verbindungen mit dem Luftschiff waren an beiden Orten völlig übereinstimmend. Es ist vielfach vermutet worden, daß die Telegraphenapparate in den Tragkörben der Luftschiffe untergebracht gewesen seien, um von oben nach unten Telegramme zu senden. Das wäre vollständig überflüssig, da eine bessere Verbindung der Luftschiffer mit der Erde als die jetzt übliche durch Fernsprecher, nicht erforderlich ist. Das gefesselte Luftschiff hat bei den vorliegenden Versuchen lediglich die Rolle eines Trägers der Luftdrähte übernommen, es brauchte nicht bemannt zu werden. Wollte man die Apparate im Korbe unterbringen, so müßte unter allen Umständen noch eine zweite Leitung zur Erde geführt werden. Bei heftigem Winde könnten beide Leitungen sich berühren und dadurch Störungen veranlassen. Zudem scheint mir auch die Unterbringung des Strahlapparates mit seinen kräftigen Funken in unmittelbarer Nähe des Luftschiffes nicht ungefährlich. Irgendwelche Metallteile an demselben könnten die Rolle eines unerwünschten „Resonators“ übernehmen und durch Funkenbildung das Gas entzünden.

Die Kapazität der dicken Drahtseile war sehr viel größer als diejenige der bisher benutzten dünnen Kupferdrähte, so daß wir am Strahlapparat nur verhältnismässig schwache Funken erzeugen konnten. Eine Verstärkung des Funkengebers war mit Absicht unterblieben. Trotzdem arbeitete die Einrichtung vollkommen zufriedenstellend, die Wirkungen auf den Empfänger waren sogar viel zu kräftig, so daß wir unsere unempfindlichsten Frittröhren benutzen mußten. Störungen durch Luftelektrizität waren allerdings vorhanden, doch waren sie von kurzem Verlauf, sie zeigten sich auf den Morsestreifen durch Punkte an und störten die eigentlichen Zeichen nicht, die aus kurzen und langen Strichen gebildet wurden.

Ich war jetzt meiner Sache sicher und beschloß, sofort auf Entfernungen überzugehen, weiter als alle bisher erreichten. Als passender Ort bot sich Rangsdorf dar, an der Militärbahn in der Nähe von Zossen gelegen und 21 km in der Luftlinie von Schöneberg entfernt. Die Beförderung des Luftschiffes, der Wasserstoffflaschen, der Apparate und der Mannschaften war durch die Militärbahn Wesentlich erleichtert. Außerdem stellte uns das Kommando derselben in dankenswertester Weise eine Fernsprechleitung zur Verfügung, so daß man sich jederzeit leicht verständigen konnte. Rangsdorf war der Sendeort. Die eigentlichen Versuche umfaßten 3 Tage und währten jedesmal von 10 bis 3 Uhr. Im Folgenden will ich die wichtigsten Ergebnisse kurz, zusammenstellen.

Dienstag, den 5. Oktober.

Wetter. Nach mäßigen Niederschlägen am Abend vorher, war in der Nacht Aufklärung eingetreten. Wolkenloser Himmel bis 10 Uhr, dann geringe Bewölkung. Am Morgen starker Tau. Temperatur ca. 8° C. Barometerstand 770,5. Luftfeuchtigkeit ca. 70 %. Steifer Ostwind.

Des starken Windes Wegen wurden Drachenluftschiffe (System von Sigsfeld) mit Wasserstofffüllung benutzt, von der Winde 500 m Drahtseil abgelassen, am Luftschiff und an der Winde je 20 m Hanfseil eingeschaltet. Das Luftschiff in Rangsdorf war mit einem Höhenmesser ausgerüstet. Die Schwankungen in der Höhenlage waren ziemlich beträchtlich, im Mittel stand das Luftschiff 300 m über dem Erdboden.

Sender und Empfänger Waren durch isolierten Kupferdraht von 1 mm Durchmesser mit den unteren Enden des Drahtseils verbunden. Erdverbindung in Rangsdorf: Kupferplatte im angefeuchteten Erdreich, in Schöneberg: Säbel in die Erde gesteckt. Infolge der großen Kapazität des Drahtseils ließen sich am Strahlapparat nur kleine Funken einstellen. Ölfunken 1 mm, äußere 2 mm.

Beim Befestigen der Luftdrähte an den Polen der Apparate empfingen wir heftige elektrische Schläge, selbst beim Berühren der Isolation mit dicken Lederhandschuhen. Beim Losreißen der Drähte, durch den heftigen Wind einigemal verursacht, gab es ein wildes Durcheinanderspringen der herumstehenden Mannschaften, um nicht von dem hin und hergepeitschten Draht getroffen zu werden. Glückte es, ihn einzufangen, so wurde er sofort mit einem Säbel an Erde gelegt.

Das Ergebnis in Schöneberg war ganz unbefriedigend. Einige Zeichen kamen zwar an, aber zerrissen und unbestimmt. Selbst wenn nicht telegraphiert wurde, arbeitete der Apparat unaufhörlich in Strichen und Punkten, lediglich infolge heftig abströmender Luftelektrizität. Es wurde uns sofort klar, daß diese Störungen auf die große Kapazität des Drahtseils zurückzuführen waren, die zudem in Rangsdorf die Funken schwächte.

Mittwoch, den 6. Oktober.

Wetter im allgemeinen unverändert. Himmel bewölkt. Temperatur 7 ° C. Barometerstand 769,9, Luftfeuchtigkeit 63 %. Kalter Nordost.

Die Luftschiffe standen zunächst mit 300 m Drahtseil, von 1 Uhr ab mit 400 m, ihre Höhe betrug nach Ausweis des Höhenmessers 200 m bezw. 280 m. Schwankungen in der Höhenlage waren noch vorhanden, aber geringer als am Vortage.

Als Empfangsdraht diente ein Fernsprechkabel aus Stahl (Doppeldraht mit Drall), wie sie bei der Luftschifferabteilung für den Verkehr vom Luftschiff zur Erde im Gebrauch sind. Dieses Kabel war am Korbe des Luftschiffes mit Hanfseilen befestigt; das untere Ende mit einem Pol der Apparate verbunden. Das Fesselseil, diesmal ohne die Hanfseilansätze, hatte metallische Berührung mit der Winde, deren Erdverbindung durch besondere Drahtseile verbessert wurde. Wir hofften durch diese Einrichtung die luftelektrischen Störungen abzuschwächen bezw. vom Empfangsdraht abzuhalten. Trotzdem waren dieselben in unverminderter Stärke vorhanden; man konnte die Fernsprechkabel, wenn sie frei hingen, nicht berühren ohne die heftigsten elektrischen Schläge, aber weniger andauernd. Die Wirkung am Empfänger war dagegen wesentlich gebessert. Die einzelnen Zeichen waren deutlich zu erkennen, die Morsestriche indessen noch häufig unterbrochen und abgerissen. Die luftelektrischen Störungen gaben sich in zahlreichen Punkten auf dem Morsestreifen kund. Immerhin war die durch Verminderung der Kapazität der Drähte erzielte Besserung unverkennbar.

Ein Weiterschreiten auf dem betretenen Wege führte am dritten Tage zum vollen Gelingen.

Donnerstag, den 7. Oktober.

Wetter. Weniger rauh. Himmel ganz bewölkt. Temperatur 6° C. Barometerstand 769,4. Luftfeuchtigkeit 55 %. Wind Nordwest.

Das Zerreißen der Zeichen am Vortage führte ich nach den in Potsdam gemachten Erfahrungen auf den Stahldraht des Fernsprechkabels und seinen Drall zurück. Wir ersetzten dasselbe durch umsponnenen Kupferdraht von 0,46 mm Durchmesser. Damit war auch eine weitere Verminderung der Kapazität verbunden.

Beim ersten Zeichen, Welches vom Empfänger aufgenommen wurde, lag der Erfolg offen zu Tage. Dasselbe kam mit verblüffender Sorgfalt und Klarheit. Wir hatten die Störenfriede entdeckt und endgültig beseitigt: die große Kapazität, das Eisen und den Drall.

Die senkrechte Höhe des Luftschiffes betrug nach dem Höhenmesser 250 bis 280 m. Die Luftelektrizität wirkte genau so heftig wie früher, man konnte den freihängenden Kupferdraht nicht ohne Strafe berühren; Dennoch störte sie die ankommenden Zeichen nicht mehr. Fig. 87 gibt eines der ersten Telegramme, man erkennt darin deutlich die Störungen durch Luftelektrizität, es sind winzige Punkte, die nicht mehr im Stande sind, die Deutlichkeit der Morsezeichen zu beeinträchtigen.

Slaby Fig87 tb

Auf alle Beteiligten machten diese Versuche den Eindruck, daß die Grenze der Übertragungsmöglichkeit mit den vorhandenen Mitteln bei Weitem noch nicht erreicht sei. Ich verstehe darunter diejenige, bei welcher ein regelmäßiger Depeschendienst noch möglich ist. Bedenkt man nun, daß die Höhe des Luftdrahtes bei Benutzung von Fessel-Luftschiffen mit Leichtigkeit auf 1000 m ausgedehnt werden kann, daß ferner für die Verstärkung der Funken am Strahlapparat bis jetzt so gut wie nichts geschehen ist, so wird man einer weiteren Ausdehnung der Funkentelegraphie auf große Entfernungen eine günstige Zukunft nicht absprechen können.

Bisher hat man zur Erzeugung der Funken nur Induktorien benutzt, deren Schlagweite 30 cm nicht überstieg. Hier sehen Sie ein Induktorium, welches Funken bis 50 cm liefert, ich habe dasselbe bei den Versuchen nur deshalb nicht verwendet, weil es zu schwer ist. Auch wollte ich bisher nur die Grundbedingungen erforschen, was mit kleineren Mitteln ebenso gut erreichbar ist. Das Induktorium ist ein physikalischer Apparat. Die Elektrotechnik hat uns gelehrt, wie man Funkenentladungen mit maschinellen Hilfsmitteln erzeugen kann, deren Mächtigkeit die dünnen Entladungen der lnduktorien vollkommen in den Schatten stellt. Da das Studium dieser Einrichtungen noch nicht völlig abgeschlossen ist, will ich heute darauf nicht naher eingehen, doch will ich Ihnen solche Funkenentladungen vorführen, die durch eine 3pferdige Wechselstrom-Maschine und einen Transformator für 25 000 Volt erzeugt sind. (Experiment.) Sie sehen deutlich, mit welch gewaltigen Kräften wir es hier zu tun haben.

Ich bin häufig gefragt worden, in welcher Richtung und Ausdehnung eine Verwendung der Funkentelegraphie möglich sein wird. Unsere Kenntnis der in Betracht kommenden Erscheinungen ist bis jetzt eine sehr bescheidene, wir stehen in den allerersten Anfängen, wer wollte heut schon sagen, wie weit und wohin der Weg uns führt. Ich werde mich wohl hüten, vor Ihnen Zukunftsbilder zu entrollen, doch glaube ich mit Sicherheit behaupten 'zu können, daß die neue Telegraphie für gewisse Verwendungszwecke heute schon reif und beachtenswert ist. Die wichtigsten scheinen auf militärischem Gebiet zu liegen. Belagerte Festungen, vorrückende Armeen, die den Feind zwischen sich haben, könnten sich heute schon der Funkentelegraphie als eines Verständigungsmittels bedienen, welches gleich sicher wirkt am hellen Tage wie bei Nacht und Nebel, allerdings nur bei Benutzung von Luftschiffen, denn die durch Türme, Masten oder hohe Bäume erreichbaren Entfernungen dürften in diesem Falle kaum ausreichen. Größere Heeresmassen sind heut in der Regel mit diesem wichtigen Beobachtungsmittel bereits ausgerüstet.

Gleich naheliegend erscheint der Nutzen für die Marine. Versuche des letzten Sommers haben die Verwendbarkeit von Fessel-Luftschiffen auf hoher See außer Frage gestellt. Es müßte doch wertvoll sein, wenn in einem Kriegsfalle die Schiffe der Nord- und Ostsee in ständiger telegraphischer Verbindung blieben.

Ebenso nahe liegt die Verwendung für Leuchttürme und Feuerschilfe. Die Empfangsapparate lassen sich unschwer in handlicher Form, nicht umfangreicher als ein Chronometer, ausbilden. Siewürden bei Annäherung an einen Leuchtturm nicht nur Zeichen geben, sondern auch den Namen des Leuchtturmes aufschreiben können, es erscheint sogar ausführbar, die Empfangsapparate mit einer verstellbaren Regelung für die Empfindlichkeit zu versehen, welche die Ablesung der Entfernung des Leuchtturmes gestattet. Doch ich fange an, Zukunftsbilder zu entrollen und Sie werden mich Lügen strafen.

Bescheidener, aber nicht unwichtig sind einige Anwendungen, die man in England plant. Dort gibt es einzelne Inseln in der Nähe des Festlandes, die zum Teil Badeörter oder Verteidigungswerke besitzen und für kurze Zeit oder in geringem Umfange eines telegraphischen Verkehrsmittels bedürfen. Die Legung eines Kabels würde zu kostspielig werden, schon mit Rücksicht auf die Zerstörungen durch Ebbe und Flut, die einen baldigen Verschleiß des Kabels bedingen. So will Mr. Preece in nächster Zeit die Inseln Guernsey und Sark durch den Funkentelegraphen verbinden. Für durchaus möglich halte ich die Funkentelegraphie zwischen Dover und Calais. Wie die Zeitungen melden, ist die englische Telegraphenverwaltung mit solchen Versuchen eifrig beschäftigt.

Nun komme ich zu einer Frage, die gleichfalls häufig erörtert wird. Die von einem Sendedraht ausgehenden elektrischen Wellen verbreiten sich gleichmäßig nach allen Richtungen des Raumes. Jeder Empfangsapparat wird davon getroffen und bei geeigneter Empfindlichkeit wird er ansprechen. Jedes Telegramm wird also eigentlich der ganzen Welt mitgeteilt. Das ist unbestreitbar richtig und darin liegt die schwächste Seite der Funkentelegraphie, welche ihre Anwendbarkeit auf ganz besondere Fälle beschränkt.

Für die praktische Verwendung bleibt zunächst nur das Auskunftsmittel der verabredeten Zeichen, falls man sich gegen das Mitlesen der Depeschen sichern will. Die Telegraphie im Kriege würde allerdings sofort unmöglich gemacht, wenn ein feindlicher Strahlapparat eine dauernde Störung der Zeichen bewirkte. Es gäbe einen interessanten Kampf in den Wellen des Äthers.

Trotz dieser unleugbaren Mängel wollen wir uns aber die Freude an der neuen Funkentelegraphie nicht verkümmern lassen. Wir stehen vor ganz eigenartigen Erscheinungen, die ein neues Gebiet der technischen Anwendung soeben erst erschließen. Auch hier wird der Fortschritt nicht ausbleiben.

Bei den besprochenen Versuchen waren die Pole von Sender und Empfänger stets mit Luftdraht bezw. mit Erde verbunden. Die Verbindung mit der Erde braucht keine besonders innige zu sein, ein in den Boden gesteckter Säbel, in Wasser gelegter Draht, selbst mit Isolation, falls nur am äußeren Ende der Querschnitt freiliegt, genügen. Unterläßt man die Erdverbindung aber ganz, so wird die 'Wirkung auf den Empfänger wesentlich geschwächt. Zwischen Matrosenstation und Sacrow konnten wir auch ohne Erdverbindung deutliche Zeichen geben, mit der Pfaueninsel glückte es nicht, die Zeichen rissen ab und wurden unvollständig. Zur Herstellung einer ausreichenden Erdverbindung genügte es auch, wenn der mit guter Isolation versehene Erddraht lose auf den nassen Bodenplanken des Prahmes lag.

Ich habe einige Versuche angestellt, um zu sehen, ob die senkrechte Führung des Luftdrahtes unter allen Umständen nötig ist. Das ist nicht der Fall. Der folgende Versuch wird Sie davon überzeugen. Benutze ich als Sender den Unterbrechungsfunken dieser kleinen Hausklingel, so spricht die Frittröhre an, wenn ich in unmittelbarer Nähe derselben die Funken erzeuge. Ein Meter ist aber die äußerste Entfernung, auf welche ich gehen darf. Verbinde ich nun die Pole des Fritters einerseits, die Funkenstrecke der Klingel andererseits mit frei ausgespannten, am anderen Ende isolierten wagerechten Drähten von etwa 5 m Länge, so kann ich vom äußersten Ende dieses Saales den Empfängers mit Sicherheit in Tätigkeit setzen. Wir befinden uns nun hier nicht in unmittelbarer Nähe des Erdbodens. Wiederholt man den Versuch im Freien, so bemerkt man, daß die Übertragungsweite abnimmt, sobald man sich mit den wagerechten Drähten dem Erdboden nähert. Beträgt der Abstand aber über 2 m, so kann man auf erhebliche Entfernungen gehen. Als wir bei den anfänglichen Versuchen mit der Pfaueninsel durch luftelektrische Erscheinungen empfindlich gestört wurden, benutzte ich 4 solcher Horizontaldrähte von 0,46 mm Durchmesser von je 100 m Länge, welche etwa 2 m vom Erdboden bezw. von der Wasseroberfläche freihängend an Isolatoren befestigt waren. Wir konnten damit auf 3 km klare Zeichen senden, obwohl zahlreiche Hindernisse, wie Bäume und die mehrerwähnte Landzunge dazwischen lagen. Es ergibt sich daraus die Möglichkeit der Überwindung großer Entfernungen auch ohne die kostspielige Mitwirkung von Luftschiffen. Man müßte allerdings die wagerechten Drähte so hochlegen, daß sie sich sozusagen in ihrer ganzen Ausdehnung sehen können. Zwei gegenüberliegende Küsten könnten auf diese Art wohl am einfachsten telegraphisch verbunden werden, wenn dem Ausspannen kilometerlanger Leitungen an hohen Masten keine Hindernisse im Wege stehen.

Eine tunlichst parallele Lage der Drähte ist aber erforderlich. Ein einfacher Versuch wird dies zeigen. Ich verbinde mit den Polen des Empfängers und der Klingelfunkenstrecke steife Kupferdrähte von etwa 1/2 m Länge. Ich stelle mich nun mit der Klingel so vor den Empfänger, daß die Drähte parallel liegen, derselbe spricht in dieser Entfernung sicher an. Drehe ich mich aber, so daß die parallele Lage der Drähte aufhört, so versagt der Empfänger schon bei einem Winkel von etwa 30°.

Nach all diesen Beobachtungen neige ich zu der Ansicht, daß das Wesentliche die Länge der Drähte ist und nicht ihre Höhe. Die letztere braucht nur so groß zu sein, daß zwischenliegende Hindernisse in angemessener Entfernung darunter bleiben. Diese Anordnung hätte den nicht zu unterschätzenden Vorteil, daß luftelektrische Störungen sicher ausgeschlossen werden können, denn in gleicher Höhe vom Erdboden ist das elektrische Potential der Luft das gleiche, so daß Entladungen der beiden Drähte durch den Fritter hindurch vermieden werden. Die Aufstellung des Empfängers müßte allerdings isoliert vom Erdboden erfolgen.

Bei meinen Versuchen habe ich auch eine Beobachtung gemacht, die mancherlei Aussichten eröffnet. Sie bezieht sich auf die Rolle eines in Richtung der fortschreitenden Wellenbewegung des Aethers sich befindenden Drahtes. Als wir im vorigen Winter auf den langen Gängen der Technischen Hochschule mit unseren damals noch unvollkommenen Einrichtungen Versuche anstellten, fiel uns eines Tages auf, daß wir wesentlich weitere- Entfernungen erzielen. konnten als sonst, obwohl unsere Apparate unverändert waren und in gleicher Weise arbeiteten. Wir entdeckten die Ursache. Es war ein etwa 10 m langes Stück dünnen Drahtes, das von früheren Versuchen auf dem Fußboden ziemlich geradlinig in Richtung unserer Übertragung liegen geblieben war. Als wir ihn aufheben, war die Wirkung unserer Apparate wieder wesentlich verschlechtert. Weitere Versuche führten zu der Erkenntnis, daß die elektrischen Wellen an Drähten entlang mit viel größerer Leichtigkeit Wandern als durch die Luft, ja daß sie die Drähte gleichsam aufsuchen und auf' ihrem Wege bevorzugen, wenn sie sich in Richtung der Fortpflanzung der Strahlen erstrecken. Auf der Matrosenstation spannten wir 160 m gut isolierten Drahtes aus, etwa 1m vom Erdboden. Winzige Klingelfunken, die in der Nähe des einen Endes erzeugt wurden, wirkten auf den Empfänger, der in der Nähe des anderen Endes des Drahtes aufgestellt war. Es war wie eine Sprachrohrwirkung. Ich wiederholte den Versuch mit dem 10mal längeren Fernsprechdraht, der zur Verbindung der Standorte in die Havel gesenkt war. Ich erzielte nicht die geringste Wirkung, selbst dann nicht, als ich den Draht selber einerseits mit dem Pol des Empfängers, andererseits mit der Kugel des Strahlapparates metallisch verband und die stärksten Entladungsfunken hineinsandte. Es war lediglich die Wirkung der nahen Erde, welche durch die Isolation des Drahtes hindurch die Strahlen ablenkte. Erst in einer gewissen, allerdings nicht großen Entfernung von der Erde wird die Fortpflanzung durch den Draht möglich.

Man könnte hierauf vielleicht eine neue Art von Telegraphie mit nur einem Draht und ohne Erdverbindung gründen. Verbände man die Enden des Drahtes mit je einem Pol des Senders und Empfängers, so würde ein winziger Funke seine Wirkungen sicherlich meilenweit tragen. Festzustellen bliebe allerdings, ob die übliche Isolierung der Stützpunkte das Übertreten der Wellen in die Erde ebenso wirksam verhüten könnte, wie den Übergang der Gleichströme bei der gewöhnlichen Telegraphiermethode.

Eine andere Überlegung führt zu merkwürdigen Folgerungen. Die Wirkungen des Gleichstroms pflanzen sich bekanntlich nur in Leitern fort, jede Isolation hemmt ihren Lauf. In welch erstaunlichem Maße dies geschieht, haben wir ja an den Frittröhren gesehen, die trotz ihrer metallischen Füllung durch die winzigen Luftstrecken zwischen den lose aneinander liegenden Körnern die Ausbildung und Fortpflanzung eines Gleichstromes vollkommen verhindern. Gerade entgegengesetzt ist das Verhalten der elektrischen Wellen, die von einer Funkenstrecke mit schnell wechselnden Entladungen ausgehen. Sie dringen mit Leichtigkeit gerade durch die besten Isolatoren, wie die Luft, doch werden sie von Metallen gehemmt; sie werden von diesen zurückgeworfen wie das Licht von einer spiegelnden Fläche. Die an einem Draht entlanglaufenden Wellen dringen darum auch nicht in das Innere, ihre Straße ist der freie Ätherraum rings herum.

Nun teilt jeder Draht den Raum in zwei Teile, einen Außen- und einen Innenraum, man könnte sie folgerichtig als Außen- und Innenröhre bezeichnen. Füllen die Wirkungen des Gleichstroms nun die innere Röhre, so bleibt die äußere frei für den ungehinderten Fortgang- elektrischer Wellen. Es muß also möglich sein, auf einem einzigen Draht zwei Telegramme zu befördern, das eine mit Gleichstrom, das andere mit Funkenstrom, wenn diese Ausdrucksweise gestattet ist.

Ein Versuch wird uns von der Richtigkeit dieser Folgerungen überzeugen. Längs jenen drei Wänden dieses Saales ist ein dünner isolierter Kupferdraht von 0,4. mm Durchmesser ausgespannt und an Porzellanisolatoren befestigt. Die Gesamtlänge beträgt etwa 60 m. Hier an der vorderen Längsseite des Saales befinden sich die freien Enden des Drahtes etwa 20 m voneinander entfernt. Zur Ausführung der gewöhnlichen Stromtelegraphie dient auf der einen Seite eine kleine Akkumulatorenbatterie, deren einer Pol mit Hilfe eines Tasters an die Leitung gelegt werden kann, während der andere Pol durch Verbindung mit der Wasserleitung im Nebenzimmer geerdet ist. Auf der anderen Seite ist ein Morseschreiber eingeschaltet und die Leitung gleichfalls an Erde gelegt. Sie bemerken, wie ich durch längeres oder kürzeres Niederdrücken des Tasters den Morseschreiber in Tätigkeit setzen kann.

In unmittelbarer Nähe des Drahtendes befindet sich ferner auf der einen Seite eine kleine elektrische Hausklingel, durch zwei Trockenelemente betätigt. Den winzigen Unterbrechungsfunken derselben wollen wir als Sender elektrischer Wellen benutzen. Auf der anderen Seite ist unser Marconi-Apparat dicht an den Draht gerückt. Sobald ich einen Funken erzeuge, hören Sie das Geräusch des Klopfers und das Ticken eines angeschlossenen zweiten Morseschreibers. Wir wollen nun zu gleicher Zeit zwei Telegramme senden, und zwar das Wort „Strom“ mit dem Taster, das Wort „Funke“ mit der Klingel. (Versuch.) Sie sehen, beide Telegramme sind ganz deutlich angekommen, ohne sich zu stören.

Eine kleine Vorsicht ist allerdings zu beobachten. Der Unterbrechungsfunke am Taster der Stromtelegraphie würde auf den Marconi-Apparat wirken; ich habe ihn durch einen Nebenschluß von 2000 Ohm unwirksam gemacht.

Ehe dieser Versuch indes eine praktische Bedeutung gewinnen kann, müßte eine Erprobung auf längeren Linien erfolgen.

Möge dieses Beispiel aber zeigen, daß die Anwendung elektrischer Strahlen mit Marconi's Erfindung nicht erschöpft ist. Die Natur hat uns ein neues Tor geöffnet, Aufgabe der Wissenschaft ist es zunächst, den erschlossenen Raum zu erhellen.

Eine fesselnde Gedankenverbindung drängt sich uns auf. Wir stehen am Ende eines Jahrhunderts, dessen Beginn uns die Entdeckung des elektrischen Stromes brachte. Länger als 50 Jahre kannten wir nur eine nützliche Verwendung desselben: die Telegraphie. Wer hatte am Anfange des Jahrhunderts seine volle Bedeutung geahnt? Aus dem leichtfüßigen Vermittler der Gedanken wurde der Spender des blendendsten Lichtes, der Lasten tragende Herkules des Verkehrs und der Industrie.

Das Meer der elektrischen Wellen erschließt sich erst jetzt. Wiederum ist es zunächst nur ein leichtes Schiff, das wir getragen sehen. Mehr als ein berückender Traum will es uns aber scheinen, daß dereinst auch schwerere Fahrzeuge auf seinen Wogen dahinziehen. Trägt doch die Wasserwelle nicht nur die leichteste Feder, sondern mit gleicher Willigkeit das belastete Eisenschiff von Ufer zu Ufer; sendet die Sonne doch schon seit Jahrtausenden mit den Wellen des Äthers ungezählte Millionen von Pferdestarken auf die erstarrende kraftarme Erde!

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