Ein Blick in die Techniksammlung (XI) - Zusammenbau war zunächst nicht möglich - Rentner hatten die Kenntnisse
Von Hans Piesch
Backnang - Die Deutsche Einheit ist es, der die Techniksammlung in Backnang mit dem sogenannten Jacquard-Webstuhl ein Stück Textilgeschichte zu verdanken hat. Das auffallende Schauobjekt, welches bis zur Wiedervereinigung in Betrieb war, stammt aus Crimmitschau und hat das stolze Alter von 80 Jahren. Die Stadt Backnang hatte dieses alte Stück Webereigeschichte für die Techniksammlung erstanden.
Arno Karau und Hans Piesch gefunden, welche sich den Aufbau nach den vorhandenen Fotos und Beschreibungen zutrauten.
Dieser Webstuhl wurde in der Firma Spengler in Crimmitschau abgebaut. Die einzelnen Teile wurden nummeriert und in Transportwagen und Kisten mit dem Lkw an die Murr gebracht. Da keine Fachkräfte für den Zusammenbau in Backnang vorhanden waren, ruhten die Teile in der Techniksammlung. Niemand fand sich mit Kenntnissen zur Weberei, der den Webstuhl zusammenbauen konnte. Ende 1995 wurden dann über die Adolff-Gruppe die beiden RentnerKarau und Piesch begannen im Oktober 1995 mit dem Sortieren und Säubern der Teile des Jacquard-Webstuhls, der 1920 von der Firma Hartman in Chemnitz erbaut wurde. Nach und nach wurden die Seitenteile, Kettbaum und Warenbaum, Kurbelwelle und Antrieb zusammengebaut, und das Schaustück bekam langsam die Form eines Webstuhls. Die Fotos und die Abbauliste gaben wertvolle Hilfestellung.
Alle Teile mussten gereinigt, oft ganz zerlegt und zusammengebaut werden, um die Lauffähigkeit sicherzustellen. Nachdem die Hälfte der 38 gekennzeichneten Teile zusammengebaut war, zeigte es sich, dass die Harnischschnüre, an denen die Litzen mit ihrem Gewicht hängen, durch Alter und Lagerung so gelitten hatten, dass bei einer Inbetriebnahme der Maschine die Schnüre der Beanspruchung durch den Zug der Gewichte an den Litzen nicht standhalten würden.
Eine Erneuerung kam wegen der hohen Kosten und der sich nicht aufdrängenden Notwendigkeit nicht in Frage.
Reinigung und Säubern der Jacquard-Webvorrichtung, mit den Nadeln, Federn, Platinen und Messern, benötigte eine besondere Aufmerksamkeit, da wegen der Funktionsfähigkeit sehr sorgfältig vorgegangen werden musste. Als Kartenprisma und Jacquard-Karten eingehängt waren, konnte nun die ganze Vorrichtung, vom Litzengewicht mit Litzen, Harnisch und Harnischbrett mit der Jacquard-Maschine mit dem Stapler auf die Konstruktion der Webvorrichtung gehoben und montiert werden.
Der erste Testlauf zeigte, dass der Aufbau gelang
Es war geschafft. Die Maschine stand in ihrer vollen Größe mit etwa 3,50 Meter Höhe vor Karau und Piesch. Mit der Montage des Gestänges zur Übertragung der Funktionen des Webvorgangs, der Bildung des Faches und zum Schusswechsel waren die Arbeiten abgeschlossen. Der Versuch, mit der Hand über den Antrieb die Maschine in Bewegung zu bringen, zeigte, dass der Aufbau gelungen war und alle Teile sich in den ihnen zugedachten Funktionen bewegten. Das erste Objekt der Techniksammlung im Textilbereich stand, und es galt jetzt, den Maschinenpark Textil zu erweitern.
Heute schaut der alte Recke mit seinen 80 Jahren auf Maschinen und Besucher in der Techniksammlung. Fast ein ganzes Jahrhundert - bis zur deutschen Wiedervereinigung - hat das heutige Museumsstück brav seine Webaufgaben erfüllt und Stoffe für Bekleidung geliefert, was seine letzte Bespannung beweist. Das Lochkartensystem aber hatte auch zur rasanten Entwicklung des Computers
mit beigetragen. Die beiden Rentner bezeichnen den Webstuhl liebevoll als „stillen Held in Alter und Leistung seines Jahrhunderts“.