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100 Jahre Telefunken

Ein Jubiläum ohne Jubilar

Dr. Erhard BehrbalkDr. Erhard BehrbalkSo überschrieb Dr. Erhard Behrbalk seinen Artikel in der Sonderbeilage der Backnanger Kreiszeitung im Mai 2003. Einhundert Jahre zuvor war in Berlin ein Unternehmen gegründet worden, das für die Welt der Nachrichtentechnik von überragender Bedeutung werden sollte. 44 Jahre später wurde dieses Unternehmen auch für Backnang von überragender Bedeutung. Tausende hochqualifizierter Arbeitsplätze entstanden in den Aufbruchjahren der Nachkriegszeit. Die Stadt profitierte enorm vom Aufschwung der Telekommunikation.

Alois Ochojski thAm Dezimeterrichtfunkgerät Alois Ochojski, Mitarbeiter der Backnanger Techniksammlung. Er hat den Apparat in monatelanger Arbeit wieder hergerichtet.Dr. Erhard Behrbalk war von 1983 bis 1993 für die Presse- und Informationsarbeit der Backnanger ANT Nachrichtentechnik GmbH verantwortlich war. Behrbalk wurde 1927 in Weipert/Erzgebirge geboren und besuchte dort die Oberschule. Nach Wehrdienst und Kriegsgefangenschaft studierte er in München, wo er auch zum Dr. phil. promovierte. Nach journalistischen Tätigkeiten bei der Westfälischen Rundschau und beim Verlagshaus Axel Springer trat er 1977 als Pressereferent bei der AEG Telefunken AG in Frankfurt ein, ehe er nach Backnang wechselte.

 

Die Backnanger Kreiszeitung würdigte das Jubiläum mit dieser Sonderausgabe, der Heimat- und Kunstverein, damals für die Techniksammlung verantwortlich, eröffnete am 25. Mai 2003 eine Ausstellung, bei der auch das Buch "Telefunken nach 100 Jahren" präsentiert wurde.

Techniksammlung - 100 Jahre Telefunken (Flyer)

 

Das Deutsche Technikmuseum Berlin veranstaltete vom 18. März bis 28. November 2004 eine Ausstellung unter dem Namen "Der Stern von Telefunken – Die Geschichte einer Weltfirma". Zahlreiche historische Unikate – einige davon aus der Techniksammlung Backnang – füllten einen ganzen Gebäudeteil, hochkarätige Vorträge wurden gehalten und Kinder konnten einen Radioempfänger basteln.

Der Stern von Telefunken – Die Geschichte einer Weltfirma (Flyer)


Unsere Heimat

Ein Jubiläum ohne Jubilar

Vor 100 Jahren entstand die Firma Telefunken – Von Dr. Erhard Behrbalk

Am 27. Mai 1903 gründete die AEG gemeinsam mit Siemens & Halske eine neue "Gesellschaft für drahtlose Telegraphie mbH", der man darauf die Schutzbezeichnung "Telefunken" gab. Der Gründung voraus gegangen war die Vereinigung der funktelegraphischen Systeme von Slaby-Arco (AEG) und von Professor Ferdinand Braun (Siemens & Halske), dem späteren Nobelpreisträger. Dieser wegweisende Name "Telefunken" wurde nahezu acht Jahrzehnte lang ein Begriff für die deutsche Funk- und Nachrichtentechnik. Das war vor nunmehr 100 Jahren, doch der einstmals richtungsweisende Name ist leider weit gehend von den Märkten dieser weltweit expandierenden Produktneuheiten verschwunden. Dennoch ist dieses "Jubiläum ohne Jubilar" durchaus einer Würdigung wert, weil mit dem Namen Telefunken viele bahnbrechende Entwicklungen auf dem Gebiet der Nachrichten-Empfangs- und -Übertragungstechnik sowie des Funkwesens verbunden sind.

Telefunken WarenzeichenDokument aus dem Jahr 1903: WarenzeichenanmeldungDabei ist es aus historischer Sicht angebracht, auch an einen Vorfall zu erinnern, der mittelbar mit der Gründung von Telefunken in Berlin zusammenhing. Im April 1900 entstand in England die "Marconi International Communication Company". Sie vermietete Schiffsfunkanlagen einschließlich des notwendigen Bedienungspersonals auch in fremde Länder.

In der Folge wurden mehrere Küstenfunkstellen für die Funkbrücke vom Land zum Meer eingerichtet. Alle Marconi- Funker waren gehalten, Anrufe von fremden Stationen mit Sendeeinrichtungen anderer Firmen mit "Sorry" zu beantworten. Etwaige Konkurrenten behinderten sich zudem gegenseitig im Kampf um Patente, und so zeigten viele Länder kaum Interesse an der neuen Funktechnik. Erst als ein Telegramm von Kaiser Wilhelm II aus diesen Konkurrenzgründen von Marconis Funkern nicht angenommen und auch nicht befördert wurde, kam neue Bewegung in den Markt. Der Versuch des Kaisers , ein Telegramm über die Marconi- Station Borkum abzusetzen, war gescheitert. Sein Anliegen wurde dort unnachgiebig mit "Sorry" zurückgewiesen. Der Kaiser war darüber empört und machte seiner Entrüstung bei der Reichspost und dem Reichsmarineamt Luft. Daraufhin wurden innerhalb von wenigen Tagen Maschinen und Apparate von der inzwischen gemeinsamen Tochter Telefunken von AEG und Siemens bereitgestellt und die Marconi-Station auf Borkum als Folge der kaiserlichen Brüskierung geschlossen.

Elektromagnetische Wellen im Experiment

Schon 1887 konnte Heinrich Hertz elektromagnetische Wellen experimentell nachweisen, nachdem der Engländer J. C. Maxwell um 1870 deren Existenz zunächst mathematisch abgeleitet hatte. Aus dem Nachweis der elektromagnetischen Wellen durch Heinrich Hertz entwickelte sich in wenigen Jahren die drahtlose Nachrichtentechnik. Die größten Erfolge auf diesem Gebiet hatte zur gleichen Zeit der Italiener Guglielmo Marconi, weil er die damals noch nicht voraussehbare Fernwirkung besonders auffallend nachwies. Weltweite Beachtung fanden Marconis Versuche im Mai 1897 in England, als er vor einem größeren Kreis eine Strecke von fünf Kilometern zwischen Lavernock Point und Flatholm im Bristol-Kanal durch Hertzsche Wellen telegraphisch überbrückte.

Heilandskirche SakrowHeilandskirche in Sakrow bei Berlin 1903: Hier stand Slabys SenderAls deutscher Vertreter nahm an diesen Versuchen Professor Adolf Slaby von der Technischen Hochschule Charlottenburg teil. Auch Slaby hatte sich schon mit der Anwendung elektromagnetischer Wellen beschäftigt. Im Juli und August 1897 gelangen ihm die ersten erfolgreichen Versuche mit der drahtlosen Telegraphie in Deutschland. Sein Sender war im Säulengang der Heilandskirche in Sakrow, südwestlich von Berlin, aufgestellt, die Antenne am seitlich stehenden Glockenturm in 23 Meter Höhe befestigt. Empfangsantenne und -geräte befanden sich auf der "Matrosenstation " an der Glienicker Brücke, 1,6 Kilometer entfernt.

 

Der Kaiser höchstselbst überzeugte sich

Georg Graf von ArcoSeit 1903 Vorstandsmitglied und Chefingenieur: Georg Graf von ArcoAm 27. August besichtigte Kaiser Wilhelm II. diese Versuche, die Slaby mit seinem Assistenten, Georg Graf von Arco, durchführte. Slaby schreibt darüber: „Das Telegraphieren gelang vorzüglich. S. M. der Kaiser gab selber ein Telegramm auf und konnte sich bei der Rückkehr nach der Matrosenstation von der sicheren Ankunft dessen überzeugen." Sechs Wochen später, am 7. Oktober 1897, konnte Slaby zwischen Rangsdorf und Schöneberg bereits die Entfernung von 21 Kilometern drahtlos überbrücken und vorübergehend einen Weltrekord aufstellen. 1898 macht Professor Ferdinand Braun in Straßburg Versuche mit der Funktelegraphie. Das Braunsche Patent auf den geschlossenen Senderschwingungskreis wurde angemeldet. 1900 wurden erste fahrbare HeeresFunkstellen eingerichtet. Das "System Slaby-Arco" wurde von der AEG übernommen und in der  1899 gegründeten "Funktelegraphischen Abteilung" unter Graf Arco weiterentwickelt. Gemeinsam mit der seit 1901 bestehenden, konkurrierenden "Gesellschaft für drahtlose Telegraphie, System Professor Braun und  Siemens & Halske GmbH", gründeten schließlich beide Unternehmen die "Gesellschaft für drahtlose Telegraphie mbH, System Telefunken".

Hans RukopTechnischer Meilenstein: Hans Rukop mit wassergekühlter RöhreDie Telefunken-Chronik weist eine Fülle von nachrichtentechnischen Entwicklungen auf. Herausragend: Der Beginn eines deutschen Küstenfunknetzes mit der Küstenfunkstelle Norddeich. Sie bestand noch bis vor kurzem, als die Übertragung durch Nachrichtensatelliten dieses Netz überflüssig machte. Andere Telefunken-Highlights waren: Die bahnbrechende Entwicklung von Hochvakuumröhren. Um 1920: Erste 400-kW Maschinensender. Rundfunkröhren und -empfänger werden in Reihenfertigung hergestellt. 1928 auf der Funkausstellung in Berlin zeigt Telefunken eine Fernseheinrichtung mit Spiegelrad-Abtastung. Bald werden Rundfunkempfänger mit eingebautem Lautsprecher präsentiert.

Sendestation NauenSendestation Nauen, eine Einrichtung für den drahtlosen Übersee-Verkehr1930 gelingt Telefunken die erste Übertragung von Fernsehbildern mittels Kurzwellen zwischen Nauen und Geltow. Telefunken schlägt das Zeilensprungverfahren in Verbindung mit der Braunschen Röhre vor.

Telefunken Sendeeinrichtung 10kW von 1910Telefunken Sendeeinrichtung 10kW Löschfunksender 5kW von 1910Löschfunksender 5kW von 1910

Wunderwerk der Telefunken-Technik: MaschinensenderWunderwerk der Telefunken-Technik: Maschinensender

Die ersten Heimfernsehempfänger

Telefunken-Werk ZehlendorfTelefunken-Werk Zehlendorf: 1937 wurde der Grundstein gelegt1933 wird der Fernsehempfänger FE1 mit Braunscher Hochvakuumröhre vorgestellt. 1934 erfolgen regelmäßige Fernsehsendungen der Reichspost mit dem von Telefunken errichteten 14-kW-UKW-Sender. 1935 führt Telefunken auf der Funkausstellung in Berlin lichtstarke und dank der Anwendung des Zeilensprungverfahrens flimmerfreie Fernsehempfangsbilder vor. 1936 errichtet das Unternehmen die erste Richtfunkstrecke mit frequenzmodulierten Dezimeterwellen und installiert für die Durchführung der Olympischen Spiele im -bis heute bedeutend gebliebenen - Berliner Olympiastadion eine leistungsvielseitige elektroakustische Anlage mit einer Gesamtkapazität von 11,5 kW. Dort bewähren sich auch die Fernsehaufnahme-Kamera von Telefunken und ein Projektions-Fernsehempfänger mit Braunscher Röhre 1937 wird in Berlin der Grundstein für das Werk in Zehlendorf gelegt, und 1938 liefert Telefunken zehn 100-kW-Rundfunksender an die Reichspost. Der Telefunken Heimfernsehempfänger FE6 entsteht, ein Standgerät für 441 Bildzeilen, dessen lichtstarkes Bild über einen eingebauten Spiegel von 40x50 Zentimeter betrachtet wurde. 1939 baut Telefunken die erste viereckige Bildröhre der Welt für die Entwicklung des deutschen Einheitsfernseh-Empfängers FE7.

1941 ging Telefunken in den Alleinbesitz der AEG über. Mit Telefunken hatte die AEG eine wertvolle Ergänzung ihres Produktspektrums gefunden. Als sich in der Entwicklung des Rundfunks ein ungeahnter Aufschwung abzeichnete, beantragte Siemens, diesen Zweig auszugliedern und den Stammfirmen zu übertragen, die damit in offene Konkurrenz zueinander getreten wären. Für die auf dem Gebiet der Empfangs- und Übertragungstechnik nur ungenügend entwickelte AEG hätte dies bedeutet, ein völlig neues Arbeitsgebiet aufbauen zu müssen. Als 1935 der Telefunken-Vertrag auslief, folgten jahrelange Verhandlungen, die jedoch erst 1941 eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung brachte: die alleinige Übernahme von Telefunken durch die AEG. Dass dies nicht die bestmögliche Lösung war, zeigte sich 25 Jahre später, als die Muttergesellschaft AEG infolge sinkender Geschäftserfolge die bei weitem erfolgreichere Tochter integrierte, um auf diese Weise das Bilanzergebnis zu verbessern. So ist im Nachhinein festzustellen, dass die Telefunken AG zwar das erfolgreichere Unternehmen war, aber von der weniger erfolgreichen alleinigen Muttergesellschaft integriert und somit dem eigenen Markt zunächst vorenthalten wurde. Da aber die Handelsmarke "Telefunken" erhalten blieb und die Telefunken-Produkte  sich schnell wieder erfolgreich auf ihrem Markt behaupten konnten, schien diese Integration für die neue Gesellschaft AEG-Telefunken zunächst vertretbar zu sein. Wie schwer die unterschiedlichen Arbeitsgebiete jedoch gemeinsam zu führen waren, sollte sich schließlich 15  Jahre später mit dem von AEG-Telefunken eingeleiteten Vergleichsantrag zeigen.

Telefunken Backnang Geb.7Prägte Backnang: Telefunken-Betriebsgebäude, heute Marconi (Anm. seit 2010 Tesat-Spcacecom)Nach dem Krieg waren die Berliner Telefunken- Werke zerstört, demontiert oder - sofern sie im Ostteil der Stadt lagen - beschlagnahmt. In Berlin (West) und in Westdeutschland begann man mit dem Neu- beziehungsweise Wiederaufbau. 1949 konnte Telefunken den ersten UKW-Rundfunksender ausliefern. In Hannover wird das Gerätewerk mit Fließband-Fertigung eingerichtet. Die Berliner Produktion von Rundfunk-Empfängern wird in das AEG-Gebäude Schwedenstraße verlegt. 1950 baut Telefunken das deutsche UKW-Sendernetz durch die Lieferung von zwölf UKW-Rundfunksendern bis zu 3 kW Leistung aus. Das Gerätewerk in Hannover wird durch den Neubau einer großen Fertigungshalle erweitert. Gemeinsam mit Decca Record Co. Ltd., London, gründet Telefunken die Teldec Schallplatten GmbH in Hamburg. 1951 beginnt man mit dem Bau der ersten deutschen Fernseh-Richtfunkverbindung von Harnburg nach Köln. Telefunken führt auf der Industrieausstellung Berlin zum ersten Mal nach dem Krieg wieder Fernsehsender und -empfänger sowie Fernseh-Bildröhren nach dem neuesten Stand der Entwicklung vor.

Der Verlust zahlreicher Berliner Fertigungsstätten trifft Telefunken schwer. Die Neuanfänge werden in Ulm und Backnang, im Schwäbischen, angesiedelt. Der Standort Hannover wird für die Empfänger- Fertigung ausgebaut, und in Celle entsteht 1965 ein modernes Farbfernseh-Gerätewerk, das innerhalb von fünf Jahren eine Million Geräte herstellt, davon die überwiegende Zahl als Farbfernseher. Am 12. Juni 1972, wenige Tage vor Beginn der XX. Olympischen Sommerspiele in München, wurden in Ettringen, nahe Augsburg, die ersten fünf der neun vorgesehenen 500 -kW-Sender der größten Kurzwellen-Sendestelle der damals noch Deutschen Bundespost in Betrieb genommen. Mit den in der Berliner Telefunken-Fabrik Sickingenstraße hergestellten Sendeeinrichtungen für automatischen Betrieb und den zugehörigen Kurzwellenantennen knüpfte Telefunken an seine langjährige und erfolgreiche Erfahrung im Senderbau an. Auch auf dem Gebiet der Elektroakustik hatte der Name Telefunken einen guten Klang. Das zeigte sich dann auch bei der Münchner Olympiade 1972, wo Telefunken sowohl bei den Tonregie-Anlagen im Deutschen Olympia-Zentrum (DOZ) als auch bei Hörfunk und Fernsehen für einen guten Ton sorgte.

Die Entwicklung des PAL-Farbfernsehens

Entwickler des Farbfernsehsystems PAL: Walter BruchEntwickler des Farbfernsehsystems PAL: Walter Bruch1967 ist ein ereignisreiches Jahr: Im Nahen Osten bekämpfen sich Israel und die arabischen Nachbarstaaten in einem Sechs-Tage-Krieg, dessen Nachwirkungen noch heute im Mittelpunkt der Nahost-Politik stehen. Mit dem Tode von Konrad Adenauer und Paul Löbe verliert Deutschland zwei herausragende politische Persönlichkeiten. In Kapstadt gelingt Christiaan Barnard die erste Herz-Transplantation, und in Berlin - es ist  der 25. August 1967, 10.57 Uhr - drückt der damalige Vizekanzler und  Außenminister Willy Brandt auf einen roten Knopf und bringt damit Farbe in die Bilder der ersten 5 800 deutschen Farbfernsehempfänger. Diese Innovation, die uns heute selbstverständlich erscheint, wurde in den Telefunken-Entwicklungslabors von Hannover erreicht. Dort hatte der Autodidakt Walter Bruch das TV Farbsystem PAL entwickelt. Mehr als zwei Jahrzehnte zuvor hatten die Amerikaner ihr NTSC-Farbverfahren eingeführt, benannt nach dem National Television Systems Committee, einer Gruppe namhafter Physiker vieler Elektronikunternehmen.

Willy Brandt FarbfernsehenBrachte Farbe auf den Bildschirm: Willy Brandt, Vizekanzler und Außenminister. eröffnete 1967 das Farbfernsehen. [Bild: IFA]PAL war eine geniale Erfindung. Der Gedanke dazu ist im Grunde ganz einfach: Man sorgt dafür, dass die unvermeidlichen Farb-Verfälschungen in einer zeitlichen Periode nach der einen Richtung und kurz darauf in der entgegengesetzten Richtung entstehen. Das Resultat: Durch Vereinigung beider Informationen wird der Fehler ausgeglichen, es entsteht das farbfehlerfreie PAL-Bild. PAL bedeutet Phase Alternation Line und ist das Zauberrezept für diese technische Entwicklung. Sie hat sich weltweit durchgesetzt und Walter Bruch in zahlreichen Ländern der Erde bekannt und populär gemacht. Viele Ehrungen und Auszeichnungen erhielt er dafür. Das Lebenswerk von Professor Dr. Ingenieur E. h. Walter Bruch, der am 5. Mai 1990 im Alter von 82 Jahren starb, dokumentierte sich in nicht weniger als 200 Patenten zum Thema Fernsehen .

Erfolgreich auf vielen Feldern der Technik

Nur fünf Jahre hatte es gedauert, bis in der neuen Telefunken-Fabrik Ulm-Donautal die millionste Farbbildröhre von den 3,5 Kilometer langen Förderbändern gehoben werden konnte. 1967 war der Bau begonnen worden, nur 15 Monate nach dem ersten Spatenstich konnte dort die Serienfertigung aufgenommen werden.

Bodenstation SymphonieKontakt zu Nachrichtensatelliten: Bodenstation SinfonieBei einem weiteren Meilenstein auf dem Gebiet der Nachrichtenübertragungstechnik war Telefunken mit an Bord: 1969 erhielt ein deutsch-französisches Industriekonsortium, dem Telefunken angehörte, den Auftrag zur Entwicklung und zum Bau des Nachrichten-Versuchssatelliten "Symphonie". Schon am Bau von Satelliten der US-Intelsat-Serie war  Telefunken mit der Lieferung von Geräten für Hochfrequenz-Telemetrie beteiligt. Dazu lieferte das Telefunken-Röhrenwerk in Ulm Wanderfeld-Verstärkerröhren. So war es folgerichtig, dass schon bald das Arbeitsgebiet Nachrichtensatelliten-Technik zum festen Bestandteil des einstigen Telefunken Werkes in Backnang gehörte. Dazu baute dieser Bereich auch erste so genannte "Erdefunkstellen" mit riesigen Parabolantennen, welche die Verbindung zu den Nachrichten-Satelliten gewährleisten.

Auf dem Feld der Radartechnik fehlte der Name Telefunken ebenfalls nicht. Primär-Radaranlagen für die Bundesanstalt für Flugsicherung entstammten seinem großen Arbeitsgebiet Funktechnik. 1977 konnte der in Ulm ansässige Bereich Hochfrequenztechnik das 4000. Fahrzeug der Deutschen Bundesbahn mit dem dort entwickelten Zugfunk-System vorstellen. Acht Jahre zuvor hatten die beiden ersten mit Zugbahnfunk ausgestatteten Lokomotiven den Ulmer Hauptbahnhof zu einer Demonstrationsfahrt verlassen. Schon auf der Hannover Messe 1970 war eine Anlage für eine funktionsgemäße Nachrichtenübermittlung bei der Eisenbahn erstmals zu sehen gewesen.

Telefunkens Aufstieg nach dem Krieg ist eine einzige Serie von Erfolgen technischer Entwicklungen. Was wird heute, im Zeitalter der Kommunikationstechnik, nicht alles benötigt, das ursprünglich aus den Entwicklungslabors von Telefunken gekommen ist: Wanderfeldröhren für die Satellitentechnik, Richtfunk- und Sendeeinrichtungen für die mobile Kommunikation und für TV-Übertragungen. Die Nutzung von Glasfaserkabeln zur Übertragung von Signalen über Lichtwellenleiter wurde im Ulmer Forschungsinstitut von Telefunken entwickelt. Laser- und die Digitaltechnik lieferten dafür die Voraussetzungen.

Woran sich wohl viele nicht mehr erinnern werden , ist die Tatsache, dass der einstige Telefunken-Bereich "Nachrichtentechnik" innerhalb des AEG-Telefunken-Konzerns sogar "Generalunternehmer" für den Bau von zehn Schnellbooten der Klasse 143 für die Bundesmarine war. Zwar gehörten dieser Unternehmensgemeinschaft  insgesamt 30 Firmen an , die für Entwicklung und Bau dieser Bootsklasse verantwortlich waren, doch entscheidend für die Wahl zum "Generalunternehmer" war der Tatbestand, dass nur etwa ein Drittel des Gesamtauftragswertes dieser Schnellbootsklasse auf schiffstechnische Leistungen, die restlichen zwei Drittel jedoch auf die elektronischen Waffen und Feuerleitsysteme entfielen.

Die Telefunken AG wird in die AEG eingegliedert

Während die Muttergesellschaft AEG Mitte der 60er Jahre schwächelt, beschert ihr die Telefunken-Tochter hervorragende Ergebniszahlen. Evidente Meinungsverschiedenheiten in der Konzernspitze hindern den Konzern an einem erfolgreichen Wirtschaften. Hans Bühler war 1966 schon 64 Jahre alt, als er den Vorsitz im AEG-Vorstand übernahm und die Integration der erfolgreichen Tochtergesellschaft Telefunken in die AEG einleitete. Am 23. Juni 1966 beschloss die Hauptversammlung der AEG die Eingliederung des Unternehmens. Aufgrund eines Betriebspachtvertrages wurde das Geschäft von Telefunken mit Wirkung vom 1. Januar 1967 auf die Muttergesellschaft übertragen. Gleichzeitig änderte die AEG ihren Namen in "Allgemeine Elektricitäts Gesellschaft AEG-Telefunken". Unter diesem Firmennamen wurde von Anfang 1967 bis Juni 1979 das gemeinsame Geschäft beider Unternehmen geführt. Am 21. Juni 1979 beschloss dann die Hauptversammlung von AEG-Telefunken, den Firmennamen in "AEG-Telefunken Aktiengesellschaft" zu ändern. Im Nachhinein war die Eingliederung 1967 für Telefunken eine verhängnisvolle Entscheidung. Die AEG-Führung setzte auf Expansion und vernachlässigte dabei das Geschäft vorhandener Arbeitsgebiete. Fehlende Investitionen trafen die Entwicklungs- und Fertigungsstätten von Telefunken-Produkten schwer.

Die fortgesetzte Expansion der Marke AEG im Hausgeräte-Bereich und der Einstieg in die Kernenergie-Technik auf dem Gebiet der elektrischen Energie-Erzeugung  konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass erste dunkle Schatten auf dem Erscheinungsbild der AEG lagen. Seit 1967 waren für rund 3 Milliarden Mark nahezu 50 Firmen gekauft und insgesamt 1,15 Milliarden Mark in das Sachanlagevermögen investiert worden. Die Verbindlichkeiten waren auf 3,564  Milliarden Mark gestiegen. 1971 zahlte die AEG genau so viel für Zinsen wie für Investitionen. Mit dem Vergleichsantrag im Jahre 1982 wurden etliche Telefunken-Bereiche zum Teil schon vor diesem Einschnitt veräußert. So gingen 1981 49 Prozent der in Backnang beheimateten AEG-Telefunken Nachrichtentechnik GmbH an ein Dreier-Konsortium. Die Teldec wurde verkauft und die Telefunken Fernseh- und Rundfunk GmbH in Hannover an Thomson-Brandt (Frankreich) veräußert. Bereits 1979 war das Farbbild-Röhrengeschäft von Telefunken in Ulm zu 51 Prozent auch an Thomson-Brandt gegangen. Die AEG betrieb regelrechten Ausverkauf. Das traf dann 1990 auch den Ulmer Telefunken-Bereich Hochfrequenztechnik, von dem einzelne Bereiche an unterschiedliche Interessenten veräußert wurden.

Am Beispiel des Telefunken-Werkes in Backnang, einer der letzten Perlen von AEG-Telefunken, wird ersichtlich, wie erfolgreiche Arbeit in der Nachrichtentechnik durch mehrfache Aus-, Um- und Neugliederung letztendlich lahmgelegt worden ist. Als 1981 der Backnanger Bereich ausgegliedert und in eine GmbH umgewandelt wurde, die nun als AEG-Telefunken Nachrichtentechnik firmierte, gingen 49 Prozent der Gesellschafter-Anteile an ein Konsortium aus Bosch, Mannesmann und Allianz. AEG-Telefunken besaß also mit 51 Prozent an der Nachrichtentechnik in Backnang weiterhin die Mehrheit und hatte demzufolge noch die industrielle Führung an dem Unternehmen. Doch als ein Jahr später AEG-Telefunken den Antrag auf Eröffnung eines gerichtlichen Vergleichs stellen musste, wurde noch im selben Jahr der 51%-Anteil des Konzerns von den drei Mitgesellschaftern eingezogen. Sie teilten sich diesen Anteil unter sich auf im gleichen Verhältnis zum vorherigen Gesellschafterbestand. Nach dieser Neuverteilung gab es keinen Mehrheitsgesellschafter mehr, der Strategie und Arbeitsschwerpunkte für den einstigen Telefunken-Bereich von Backnang, der jetzt ANT Nachrichtentechnik GmbH hieß, festgelegt hätte. Bosch versuchte jedoch, mehr und mehr Einfluss auf die neue Gesellschaft zu gewinnen - aus gutem Grund: Das Unternehmen hatte bereits 1981 von AEG 75 Prozent der Anteile an der Telefonbau und Normalzeit (T&N) erworben, die daraufhin als "Telenorma" firmierte und auf dem Gebiet der Vermittlungstechnik sowie der Herstellung von Telefonanlagen und -geräten arbeitete. Schließlich übernahm Bosch 1988 die 40,8-Prozent-Anteile von Mannesmann an ANT und kam so in die Situation des Mehrheitsgesellschafters, da auch die Allianz ihren Anteil an ANT (18,4 Prozent) ebenfalls an Bosch abgetreten hatte.

Gleichzeitig mit der Übernahme der Mehrheit von ANT erhöhte Bosch seinen Anteil an Telenorma, indem man den Restteil von AEG und den TN-Altgesellschaftern erwarb. "ANT" verschwand als Handelsmarke und wurde durch Bosch ersetzt, weil das Stuttgarter Unternehmen das Arbeitsgebiet "Bosch Telecom" begründet hatte. Doch für die jetzt unter dem Dach von Bosch Telecom in Backnang befindliche Nachrichtentechnik war  dies wiederum nur eine kurze Epoche. Zum Ende des 20. Jahrhunderts stieg Bosch aus dem Arbeitsgebiet Telekommunikationstechnik aus. Der Backnanger Teil von Bosch Telecom wurde in zwei Bereiche aufgeteilt: Die "Öffentlichen Netze", die von der britischen Marconi-Gruppe übernommen wurden und nunmehr als "Marconi Communications GmbH" firmieren, und die "Bosch Satcom GmbH", die als eigenständige Tochtergesellschaft von Bosch zunächst weitergeführt, jedoch im November 2002 an Astrium verkauft wurde. Seitdem nennt sich dieser Teil des Backnanger Werkes "Tesat-Spacecom GmbH & Co. KG".

Damit schließt sich ein Kreis, der vor 100 Jahren die Gründung von Telefunken begünstigte, als die britischen Marconi-Funkstationen an der Nordseeküste sich geweigert hatten, eine Depesche des deutschen Kaisers zu übermitteln.

 
Mit freundlicher Genehmigung durch Verlag Fr. Stroh, Backnang, Redaktion: Armin Fechter, Fotos: AEG-Archiv, Heimat- und Kunstverein Backnang/Techniksammlung, Archiv der Backnanger Kreiszeitung
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