Erste elektronische Vermittlung vor 50 Jahren in Betrieb genommen
Gerald Jarmuske machte uns auf ein besonderes Jubiläum aufmerksam. Am 4 Dezember 1967 wurde in Bad Cannstatt das Elektronische zentralmarkierte Ortsvermittlungssystem EZM3 in Betrieb genommen. Die Stuttgarter Zeitung widmete diesem Ereignis einen Bericht.
Goldene Kontakte im Telefonnetz
Oberpostdirektion eröffnet elektronische Vermittlung
Eine neue elektronisch gesteuerte Telefonvermittlungsanlage wurde am Montag in Stuttgart in Betrieb genommen. Die von AEG Telefunken konstruierte Anlage arbeitet unter anderem wartungsfrei und ermöglicht ein noch schnelleres Wählen. Von links der Vorsitzende des Verwaltungsrats der Bundespost, August Neuburger, der Vorstandsvorsitzende der AEG/Telefunken, und Dr. Hans Bühler und Staatssekretär R. Bornemann (rechts).
Bei der Oberpostdirektion Stuttgart sind goldene Zeiten angebrochen, zumindest im Fernsprechverkehr. Die am Montag im Fernmeldedienstgebäude Bad Cannstatt neu in Betrieb genommene elektronisch gesteuerte Fernsprechvermittlung arbeitet nämlich nicht nur mit Goldkontakten, sie macht auch eine noch schnellere Sprechverbindung bei geringerer Reparaturanfälligkeit möglich. Dass aber auch die modernste Vermittlungsanlage machtlos ist gegen einen vielbeschäftigten Oberbürgermeister, musste Staatssekretär Bornemann vom Bundespostministerium erfahren. Zehn Minuten lang bemühte er sich vergeblich, Oberbürgermeister Dr. Klett zu einem ersten Gespräch über die neue Vermittlungsstelle an den Apparat zu bekommen.
Das in den Laboratorien der AEG-Telefunken entwickelte elektronische Vermittlungssystem arbeitet mit Halbleitern, die eine große Lebensdauer und hohe Betriebssicherheit gewährleisten. Der beliebige Anschluss von Fernsprechapparaten mit moderner Tastaturwahl oder herkömmlicher Wählscheibe ist gewährleistet. Die freizugige Zuteilung von Rufnummern für Einzel- und Sammelanschlüsse ist möglich.
Präsident Dr. Münzel von der Oberpostdirektion Stuttgart wies auf die Bedeutung der neuen Versuchsvermittlungsstelle der Fernsprechtechnik hin. Die Firma AEG-Telerunken hatte Wert darauf gelegt, die Vermittlungsstelle in einem großen Ortsnetz zu erproben. Die Wahl fiel auf Stuttgart, das zu den Brennpunkten des Fernsprechverkehrs im Bundesgebiet zählt.
Die Entwicklung des Fernsprechwesens in Deutschland skizzierte Staatssekretär Bornemann vom Bundespostministerium. Mit der Inbetriebnahme ersten Fernsprechvermittlungsstelle in Weilheim im .Jahr 1923 war Deutschland in der Automatisierung des Fernsprechverkehrs weit voraus. 1955 begann der vollautomatische Fernsprechverkehr mit dem Ausland. Von den heute über die Landesgrenzen geführten 25 Millionen Ferngesprächen werden etwa 80 Prozent von den Teilnehmern selbst hergestellt. Trotz aller Fortschritte konnte die Bundespost in den letzten Jahren die Wünsche nach Neuanschlüssen nicht befriedigen. Allerdings ging auch im Bereich der OPD-Stuttgart die Zahl der wartenden Antragsteller von 19.000 im Jahr 1963 auf 13.000 im August 1967 zurück. Zu den vorhandenen 28 Vermittlungsstellen kommen im nächsten Jahrzehnt weitere 24 dazu. Die 29. Vermittlungsstelle wurde am Montag in Bad Cannstatt in Betrieb genommen.
Die neue Vermittlungsstelle befindet sich im Gebäude der bereits seit 1963 bestehenden Ortsvermittlungsstelle 56 . Von den 10.000 Rufnummern dieser Vermittlungsstelle entfallen nur 400 auf die neue elektronische Anlage. Ihre Bedeutung liegt also nicht in einer erhöhten Rufnummernkapazität, sondern im technischen Fortschritt begründet.
Die Entwicklungsarbeit der Firma AEG-Telefunken würdigte der Vorstandsvorsitzende Dr. Hans Bühler. Auf die hohen Investitionskosten, die Post gibt Jahr für Jahr mehr als zwei Milliarden Mark für das Fernmeldewesen aus, wies der Vorsitzende des Verwaltungsrates der Deutschen Bundespost. Ministerialrat a. D. Neuburger hin. In die automatische Vermittlungstechnik führte Abteilungspräsident Alfred Mattern ein.
mp
Hinter den Ordinatenhaftschaltern waren die Teilnehmerschaltungskarten eingebaut. Die Teilnehmerschaltungen arbeiten rein elektronisch und der sogenannte Markierer wertete einen Schleifenschluss beim Abheben des Hörers für weitere Durchschaltungen aus. Die Fernsprechleitungen wurden durch den OHS (Ordinatenhaftschalter) durchgeschaltet. Die Kontakte waren vergoldet, sodass eine gute Kontaktgabe gewährleistet war.
Das nächste Foto zeigt uns eine mit 270 OHS bestückte Gestellreihe von der drei in Cannstatt aufgebaut wurden.
Die stolze Mannschaft der Labore Fg/E21 und Fg/E22 im Dezember 1965.
Hintere Reihe: Jarmuske, Entwicklungsleiter Willibald, Schumann, Sukupp, Kehrer, Lißner, Heymann, Gebhardt, Patzke
Vorne: Wild, Schwager, Klepsch, Hain, Morlang, Braemer
Im Dezember 1997 gab es für die Pioniere der elektronisch gesteuerten Ortsvermittlung in Backnang ein Wiedersehen. Der Bosch Zünder 1/1998 berichtete:
Ehemalige Mitarbeiter des AEG-Telefunken-Werks erinnerten sich bei einem Treffen in Backnang an einen Höhepunkt in ihrem Berufsleben:
Vor 30 Jahren nahm die damalige Deutsche Bundespost in Bad Cannstatt die erste elektronisch gesteuerte Ortsvermittlungstelle als Versuchsanlage in Betrieb.
Entwickelt und gefertigt wurde die Anlage in Backnang. Die als Meilenstein in der Nachrichtentechnik geltende "EZM3" hatte schon damals zukunftweisende Leistungsmerkmale wie die Übernahme der Rufnummer bei Umzug. Das digitale Telefonnetz der Deutschen Telekom (T-Net) bietet diese Möglichkeit erst seit Oktober 1997
Vorn sitzend: Freutel, Frau Schwarz, Morlang, Hain, Frau Schließer, Ruppricht.
Hintere Reihe: Wüst, Sperlich, Patzke, Kehrer, Ruff, Jarmuske, Klepsch, Pohlner, Bachert, Kortkamp, Massini, Holzschuh, Heymann, Burgstedt, Klinger.