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Aus AEG Fernmeldetechnik wurde Telefunken

Telefunken Zeitung tbTelefunken Zeitung vom März 1955In der Telefunken Zeitung Jahrgang 28, Nummer 107 vom März 1955 beschreibt Dr. Günter Wuckel sehr genau die Ursprünge der Backnanger Nachrichtentechnik.

Nachrichtenweitverkehr Backnang

Zur Übernahme des Werkes „AEG-Fermeldetechnik Backnang“

Günter Wuckel

Mit der im Jahre 1941 vollzogenen Telefunken – Transaktion, durch die Telefunken zu einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft der AEG wurde, war von vornherein der Plan verknüpft, die Gesamtinteressen der Firma auf dem Nachrichtengebiet zusammenzufassen. Die Realisierung dieses Planes hat sich einmal durch die Kriegsereignisse jener Jahre, insbesondere aber durch den folgenden allgemeinen Zusammenbruch erheblich verzögert. Mit der am 1. Oktober 1954 erfolgten Übernahme der AEG-Fernmeldetechnik Backnang durch Telefunken ist er nun Wirklichkeit geworden.

Der jetzige Telefunkenbereich „Anlagen“ ist somit auf zwei Wurzeln zurückzuführen: Die eine ist die bei Telefunken von Anbeginn an gepflegte Funktechnik, die ausgehend von der Funkentelegraphie heute das Gesamtgebiet der drahtlosen Nachrichtenübermittlung umfasst; die andere ist die im Rahmen der AEG aus dem Kabelwerk Oberspree hervorgegangene Drahtnachrichtentechnik, welche die Übertragung sämtlicher Nachrichten über Kabel und Leitungen zum Zweck hat. Beide Zweige blicken auf eine etwa gleich lange, mehr als 50jährige Entwicklungsperiode zurück.

Während früher grundsätzlich zwischen drahtloser und drahtgebundener Nachrichtenübertragung unterschieden wurde, gehen diese heute immer stärker ineinander über, und es entstehen in zunehmendem Maße gemischte Netze sowohl für die Nachrichten-Nah- wie –Weitverkehr. So war es naheliegend und sinnvoll, aus dem Teil der TELEFUNKEN G-M-B-H, der sich nach wie vor mit dem drahtlosen Nah- und Weitverkehr befasst, den Richtfunk herauszulösen und ihn mit der bisherigen „AEG-Fernmeldetechnik in Backnang“ zu einer neuen Einheit „Nachrichten-Weitverkehr“ zu verschmelzen, in der der bisher in Backnang gepflegte drahtgebundene Weitverkehr nunmehr unabhängig vom Übertragungsmedium bearbeitet werden kann.

Gerberstr tbWie sich der Richtfunk etwa seit Mitte der 30er Jahre aus den im Laufe der Jahrzehnte entstandenen allgemeinen Grundlagen der Funktechnik entwickelt hat, ist der Festschrift anlässlich des 50jährigen Bestehens der Firma Telefunken in Jahre 1953 zu entnehmen. Nach umfangreichen Vorentwicklungsarbeiten, speziell auch zur Schaffung geeigneter Röhren, entstanden zunächst die während des letzten Krieges in erheblichem Umfange eingesetzten Zweibandgeräte „Michael“ (ein Telephonie- und ein Telegraphie-Kanal); als nächster Schritt wurde eine Apparatur „Rudolf“ für neun Gesprächseinheiten entwickelt und noch während des Krieges eingesetzt. Dies war die Ausgangsbasis für die Arbeiten der Nachkriegsjahre, die zu den modernen Impuls- und frequenzmodulierten Mehrfach-Übertragungsanlagen führten. Telefunken kann mit diesen Arbeiten für sich in Anspruch nehmen, als erste Firma der Welt frequenzmodulierte Dezimeterwellenanlagen gebaut und speziell in Deutschland 1936 die ersten Richtfunkstrecken erstellt zu haben. Heute existiert in Deutschland bereits ein Richtfunknetz für Fernsehen (FM), ebenso sind Richtfunkstrecken für 24 Sprechkanäle (PPM) auf verschiedenen Linien in Norddeutschland in Betrieb; im Bau begriffen ist eine PPM-Rundfunk-Übertragungsanlage, und in Entwicklung befinden sich frequenzmodulierte Systeme für 60 bzw. 600 Gesprächseinheiten. Eine erste Anlage für 240 Gespräche wird zur Zeit gerade auf der Strecke Hannover – Münster eingesetzt.

Über die historische Entwicklung und die technischen Leistungen der AEG-Fernmeldetechnik ist zusammenfassend berichtet worden in der Gedenkschrift „40 Jahre AEG-Fernmeldekabel“, in dem den technischen Stand von 1945 beschreibenden Artikel „Die Fernmeldetechnik der AEG“ und einem kürzlich erschienenen Aufsatz „Moderne Entwicklungen auf dem Drahtnachrichtengebiet“, in welchem insbesondere die Arbeiten der AEG in den Nachkriegsjahren behandelt werden. Aus diesen zusammenfassenden Schriften ist – neben der großen Zahl sonstiger Veröffentlichungen – zu ersehen, wie sich die AEG-Fernmeldetechnik, ausgehend von den allerersten Anfängen in der Herstellung von Bleikabeln um die Jahrhundertwende, in einer jahrzehntelangen systematischen technisch-wissenschaftlichen Arbeit einen namhaften Platz auf dem Gesamtgebiet der Drahtnachrichtentechnik geschaffen hat. Dabei darf nicht vergessen und muss gebührend unterstrichen werden, dass auch bereits in der frühesten Anfangszeit, als es bei der AEG noch kein in sich geschlossenes Gebiet Fernmeldewesen gab, aus dem Kabelwerk Oberspree eine ganze Anzahl beachtlicher Pionierleistungen und grundlegender Arbeiten hervorgegangen sind: Dort wurde die Lieben-Röhre entwickelt und fabrikationsreif durchgebildet, aus der das wichtigste Bauelement der ganzen Nachrichtentechnik, die Vakuumröhre, entstand.
Die ersten Röhrenverstärker in der Welt sind dort gebaut worden und auch die ersten drahtlosen Versuche des Grafen v. Arco – eine der Vorbedingungen für die spätere Gründung von Telefunken – fanden im Kabelwerk Oberspree statt.

Der neue Backnanger Sektor „Weitverkehr“ baut auf einer altbewährten und guten Tradition auf: Funkseitig, indem wir uns stützen auf die gesamten Erfahrungen Telefunkens, mit dessen Namen ein halbes Jahrhundert drahtloser Technik unmittelbar verknüpft ist; leitungsseitig ist es die Tradition der eigenen Fabrik, in der wir in den vergangenen Jahrzehnten unter dem Zeichen AEG auf allen Teilgebieten in der Übertragungstechnik mit Erfolg gearbeitet haben. Das ist in erster Linie das gesamte Gebiet der Fernmeldekabel in seinen vielen Varianten bis zu den hochwertigsten Fernkabeln, den modernen Trägerfrequenz-Weitverkehrskabeln sowie den Breitbandkabeln. Zur Erstellung ganzer Kabelanlagen gehören ferner die Pupin-Spulen- und die Eisen- und Ferritkerntechnik, der Garniturenbau sowie Montage und Ausgleichstechnik. Das Schwergebiet unseres zweiten größeren Werkteils, der Apparatetechnik, liegt heute auf der trägerfrequenten Mehrfachausnutzung der Leitungen; er umfasst alle für diesen Zweck erforderlichen Endapparaturen und Zwischenverstärker einschließlich Amtsbau. Eine besondere Art der Trägerfrequenztechnik stellt ferner die Elektrizitätswerktelephonie über Hochspannungsleitungen dar, die einst von Telefunken ausging und schon seit Jahrzehnten zu unserem Fertigungsprogramm gehört.

Das dritte große Arbeitsgebiet unserer Fabrik ist das der Gemeinschaftanschlüsse oder Vorfeldeinrichtungen, das wir uns durch grundlegende Entwicklungen eines Spezialrelais und neuartiger Relaisschaltungen im Verlauf der letzten Jahre erschlossen haben. Das ist in großen Zügen, ohne auf weitere Neben- und Einzelgebiete einzugehen, der Rahmen des drahtnachrichtentechnischen Sektors.

Durch die Eingliederung des Richtfunks in diesen Sektor können wir in Backnang nunmehr das Gesamtgebiet der leitungsgebundenen Übertragungstechnik einschließlich der „Hertzschen Kabel“ vollständig bearbeiten.

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